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Fey 01: Die Felsenwächter

Fey 01: Die Felsenwächter

Titel: Fey 01: Die Felsenwächter
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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glühenden Kaminfeuer. Es strahlte eine angenehme Wärme aus, auch wenn er in seiner nassen Kleidung zitterte. Er verabscheute es, wenn mitten am Tag Licht brannte und er sich nicht frei bewegen konnte. Es beunruhigte ihn manchmal, daß all sein Training und alle Arbeit vielleicht umsonst waren und er seine Fertigkeiten wieder einbüßen würde, weil ihn der Regen ans Haus fesselte.
    »Ich bin zu jung, um den Rest meines Lebens im Zimmer zu verbringen«, sagte Nicholas. »Im übrigen ist mein Vater noch gar nicht so alt. Ich werde erst König sein, wenn ich älter bin als du.«
    Stephan hob eine ergraute Braue. »Älter als ich.« Sein Tonfall war kurz, als hätte er sich über die Wahl der Worte geärgert. Er lehnte sich zurück, wippte auf seinem Stuhl und blickte Nicholas stirnrunzelnd an. »Hast du schon einmal daran gedacht, daß dein Vater vielleicht einen Berater brauchen könnte?«
    »Mein Vater hat Hunderte von Beratern.«
    »Die sind alle mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Du wärst der einzige, der seine Sorgen wirklich teilen würde.«
    »Ich?« Nicholas trank noch einen Schluck Met. Die Flüssigkeit hatte sich abgekühlt und war jetzt zähflüssig und süß. »Er würde niemals auf mich hören.«
    »Ganz im Gegenteil«, erwiderte Stephan. »Ich glaube, er würde deinen Rat sehr zu schätzen wissen.«
    Nicholas erhob sich und schritt im Raum auf und ab. Seine feuchten Stiefel hinterließen Spuren auf dem Holzboden. Stephans Worte machten ihn unruhig. Ein Vater, der ihm zuhörte. Ein sonderbarer Gedanke.
    »Hat er dir das gesagt?«
    »Nicht direkt«, antwortete Stephan. »Er wünscht sich, daß du in der Lage wärst, mit ihm verschiedene Themen zu erörtern.«
    Das hatte Nicholas auch schon gehört und als Nörgelei aufgefaßt. Seit dem Tod der Mutter hatte Nicholas’ Vater hart daran gearbeitet, den Jungen so gut wie möglich zu erziehen. Obwohl erst die Diener und dann seine Stiefmutter sich am meisten mit Nicholas beschäftigten, hatte der Junge seinen Vater jeden Tag gesehen und einige Zeit mit ihm verbracht. Die Zuneigung zwischen beiden war aufrichtig, aber Nicholas hatte niemals geglaubt, er könnte seinem Vater ebenbürtig sein.
    »Du versuchst nur, mich dazu zu bringen, daß ich mehr lerne.«
    Stephan schüttelte den Kopf. »Ich will nichts weiter als dich ein wenig zum Nachdenken anregen. Ein Schwertkampf wird zu drei Vierteln mit dem Kopf entschieden. Je mehr Gebrauch du von deinem Verstand machst, desto besser wirst du mit Pferden und Schwertern umgehen.«
    »Ich bin am besten, wenn ich überhaupt nicht nachdenke.« Mit diesen Worten trat Nicholas neben das Feuer, dessen Wärme wohltuend durch seine nassen Kleider drang.
    »Du bist dann am besten, wenn du so kampferfahren bist, so sehr daran gewohnt, darüber nachzudenken, daß es dich keine Mühe mehr kostet. Stell dir einmal vor, du wärst in Staatsgeschäften ebenso beschlagen. Du bist jetzt schon geschickter mit dem Schwert, als es dein Vater jemals war. Du könntest auch ein besserer Regent werden als er.«
    Nicholas grinste Stephan an. »Du versuchst ja nur, meinen Ehrgeiz anzustacheln.«
    »Genau«, sagte Stephan. Sein Blick wanderte zu dem verschlossenen Fenster. Der Regen trommelte so heftig aufs Dach, daß er fast seine Worte übertönte. »Ich glaube, es kommt die Zeit, in der jeder von uns sein Bestes geben muß.«

 
3
     
     
    Rugar stand am Bug des Schiffes. Er hatte die Kapuze aufgesetzt, und der Regen strömte über sein Gesicht. Kühler, wohltuender Regen. Er hatte vergessen, welche Machtgefühle es in ihm auslöste, das Wetter zu kontrollieren. Die Wetterkobolde hatten alle seine Wünsche erfüllt.
    Morgen früh, wenn der Regen aufhörte, würden die Fey bereits über die ganze Insel verstreut sein.
    Vorausgesetzt, die Landkarten waren präzise und die Steuermänner und der gefangene Nye hatten sich nicht getäuscht.
    Rugar zog den Umhang fester um sich. Eigentlich hätte schon Land in Sicht kommen müssen. Den alten Karten nach zu urteilen, befanden sie sich bereits in unmittelbarer Nähe der Felsenwächter, aber außer dem grauen, kabbeligen Meer war nichts zu sehen. Der heftige Regen beeinträchtigte Rugars Sicht, aber über dem Schiff kreisten drei Tierreiter in Möwengestalt, die er den privaten Streitkräften seines Vaters entwendet hatte.
    Rugar strich sich das nasse Haar aus der Stirn. Sein Mantel war mit Hilfe von Magie gegen Feuchtigkeit immun, aber manchmal hatte er es gern, wenn Wasser über seine
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