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Feuerwasser

Feuerwasser

Titel: Feuerwasser
Autoren: Paul Lascaux
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hätte man zwar weit herum gehört, ihn aber für den Knall eines wildernden Jägers gehalten. Denn das Opfer wäre hinter das Mäuerchen gestürzt und unsichtbar geblieben. So hätte man die Leiche nach Einbruch der Dunkelheit unbemerkt verschwinden lassen können.«
    Müller überlegte.
    »70 Kilo«, sagte der Rechtsmediziner. »Schafft das einer allein?«

    »Den kurzen Weg hinauf in die Schützenstellung wahrscheinlich schon, wenn er kräftig ist«, erwiderte der Polizist.
    »Hinter der Mauer hättet ihr Blut finden müssen«, wandte der Arzt ein.
    »Da hat keiner gesucht«, bemerkte Spring. »Der Boden ist steinig, es wäre durch die Kiesel hinuntergesickert. Man müsste es eigentlich noch finden. Aber das hat keine Priorität. Denn den Mann könnte es irgendwo in der Höhle erwischt haben, und wir wollen nicht den ganzen Raum umgraben. Wenn es aber außerhalb geschehen ist, dauert die Suche viel zu lange.«
    »Wir wissen also, dass es sich um Kurt Grünig handelt?«, fragte Heinrich Müller.
    »Ja«, sagte der Rechtsmediziner. »In der Cafeteria sitzen die Frau und die Tochter, die wir für die DNA-Analyse herbestellt haben. Die Übereinstimmung ist eindeutig. Bringt es ihnen schonend bei.«

    Bernhard Spring bedauerte, dass er keine weibliche Kollegin dabei hatte, denn er fand die Worte in solchen Fällen besonders schlecht. Er trat gemeinsam mit Heinrich Müller den beiden entgegen. Die Frau stellte sich als Sabine Grünig-Hofer vor, fuhr mit der Linken durch ihre langen rotbraunen Haare, wies auf die Tochter, die Müller bereits kannte, und sagte: »Alice.«
    »Sie haben, wie ich Ihrer Anzeige entnehme, Ihren Mann Kurt Grünig am 2. August als vermisst gemeldet und sind heute zu einer vergleichenden DNA-Analyse hergekommen«, sagte Spring mit einer Nachrichtensprecherstimme, die er für offiziell hielt. Er konnte es sich gerade noch verkneifen, den rechten Zeigefinger zu heben, wie er es jahrelang im TV zu sehen bekommen hatte.
    »Ja«, bestätigte die Tochter, denn ihre Mutter blieb stumm.
    »Es tut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, dass das hier drin Ihr Vater ist.«

    Das hier drin wirkte nicht beruhigend auf die beiden. Als Spring ihnen auch noch mitteilte, dass es unmöglich sei, ihren Mann und Vater ein letztes Mal zu sehen, begann die Mutter nicht zu schluchzen, wie der Störfahnder erwartet hatte, sie schlug mit den Fäusten auf ihn ein, bevor sie auf den Stuhl zurücksank und fragte: »Was hat das zu bedeuten?«

    »Rufen Sie die Versicherung an!«, hatte Alice Grünig noch gesagt, bevor Heinrich Müller das Rechtsmedizinische Institut in der Länggasse verließ. Es war eher ein Befehl als ein Hinweis.
    Er tat es unverzüglich.
    Peter Hofer, Müllers Kontaktmann, freute sich über seinen Anruf, allerdings nur so lange, bis er erfuhr, was geschehen war.
    »Sind Sie wieder in einen Fettnapf getreten?«, fragte er den verblüfften Detektiv. »Oder woher haben Sie die Information?«
    »Wir reden von Mord«, sagte Heinrich Müller. »Es wäre hilfreich, wenn ich die Unterlagen bekäme, die Ihnen zur Verfügung stehen.«
    Peter Hofer räusperte sich, bequemte sich dann aber doch: »Kurt Grünigs Arbeitgeber, die Eidgenössischen Kraftwerke EKW , hat ihn im Falle eines unerwarteten Ablebens mit einer beträchtlichen Risikoprämie versichert.«
    »Wie hoch?«, fragte Müller.
    »Fünf Millionen Franken.«
    Der Detektiv pfiff durch die Zähne und fragte: »Mord und Totschlag inbegriffen?«
    »Ja.«

    »Was für ein gefährliches Arbeitsgebiet hat er denn gehabt?«
    »Ist mir unbekannt«, sagte Hofer. »Der Deal lief auf höherer Ebene ab.«

    »Wirklich keine Ahnung?«
    »Offiziell nicht«, ergänzte Hofer. »Aber schau dir mal die Homepage der Aktionsgruppe Freies Berner Oberland AFBO an. Damit müsste es zu tun haben. Wo ist er denn gestorben?«
    Müller erklärte ihm die Tatumstände.
    »Dann geht’s in die vorher erwähnte Richtung«, sagte Hofer.
    »Und wer ist Nutznießer der fünf Millionen?«, fragte der Detektiv.
    »Die Tochter.«

    Die Homepage der Aktionsgruppe Freies Berner Oberland AFBO weckte Heinrich Müllers Interesse, auch wenn er sich erst durch einen Wust von politischen und ökologischen Grundsatzerklärungen, alle aus zweiter Hand, wühlen musste. Dann erst stieß er auf die Anliegen, für die mit Herzblut gekämpft wurde. Es ging gegen den Abschuss von Luchsen, wie es im Simmental mehrfach vorgekommen war. Die Gruppe befürwortete auch die Wiederansiedlung von Bär und Wolf. Sie setzte
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