Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuersbrut - Der Untergang

Feuersbrut - Der Untergang

Titel: Feuersbrut - Der Untergang
Autoren: Nadine Kühnemann
Vom Netzwerk:
ihn, aber er hatte Yanil weder seinen Namen noch seinen Wohnort genannt.
    Er öffnete die Augen einen Spaltbreit. Er hatte gehofft zu sterben, doch der Tod betrog ihn um diesen Gefallen. Er wusste nicht, wie lange er bereits auf dem Rücken irgendwo im Wald lag. Was, wenn der Tod noch Tage auf sich warten ließ?
    Letztlich siegte der Überlebensinstinkt. Yanil erkannte, dass es unmöglich war, aus freiem Willen zu sterben. Einfach liegen zu bleiben und aufhören zu atmen, nein, das funktionierte nicht.
    Sonnenlicht tanzte durch die sich im Wind wiegenden Baumkronen und kitzelte seine Nase. Ächzend hob er den linken Arm und rollte mit aller Kraft den auf ihm liegenden Leichnam des Khaleri von sich herunter. Ein Schwarm Fliegen stob auf, Yanil würgte. Er hatte schon zuvor Tote gesehen, aber niemals unter derartigen Umständen. Er hatte sich für einen besonnenen und abgeklärten Anführer gehalten, doch die Realität hatte ihn eines Besseren belehrt. Zakuma lag weit abseits der Realität, wie ein Traumgebilde, in das das Böse der Welt nicht einzudringen vermochte. Yanil erkannte, dass ihm die Welt fremd war, dass er sie wie ein Kind erst neu entdecken musste.
    Er griff mit der Hand an seine Brust und fasste in klebriges Blut. Erst glaubte er, es sei sein eigenes, doch dann fiel ihm ein, dass er den Khaleri unmittelbar vor seiner Ohnmacht erstochen hatte. Außer dem verletzten Handgelenk und den Würgemalen schien Yanil keine schweren Wunden davongetragen zu haben.
    Er versuchte, den rechten Arm zu bewegen. Unwillkürlich entfuhr ihm ein Schmerzensschrei, doch es gelang ihm, sich aufzusetzen. Schwindel packte ihn, alles drehte sich. Der Pfeil, knapp oberhalb seines Handgelenks ins Fleisch gedrungen, war abgebrochen. Die Spitze ragte auf der anderen Seite des Arms etwa zwei Finger breit heraus, ein Durchschuss. Ohne lange darüber nachzudenken, griff Yanil nach dem abgebrochenen Schaft und zog ihn ruckartig heraus. Eine Welle aus Übelkeit überfiel ihn, er musste sich übergeben. Frisches warmes Blut lief seinen Unterarm entlang und tropfte auf den Boden. Er zwang sich, die Wunde zu untersuchen. Schnell erkannte er, dass er nicht daran sterben würde. Der Pfeil war kaum dicker als sein kleiner Finger. Er war glatt zwischen Elle und Speiche hindurch geglitten, ohne ein größeres Gefäß zu verletzen. Ha! Mit solchen Pfeilen ließen die Mazari ihre Kinder spielen. Die Khaleri waren nicht geübt im Umgang mit Fernkampfwaffen, dafür kämpften sie mit dem Schwert umso ausdauernder und tödlicher. Yanil wünschte sich, sie hätten einen Heiler mit auf die Reise genommen. Sofern dieser jetzt noch leben würde – was er schwer bezweifelte –, hätte er ihn nun dringender gebraucht denn je. Zwar kannte auch Yanil sich in den Heilkünsten seines Volkes ein wenig aus, aber Heilung zählte zu einem der magischen Talente der Mazari, und bislang hatte er an sich eine derartige Form der Magie nicht entdeckt.
    Er sah sich um und betrachtete seinen Standort. In seinem Blickfeld lagen mehrere Leichen. Die des hageren Kerls, den er eigenhändig getötet hatte, sowie drei weitere Khaleri. Einer starrte mit leeren, weit aufgerissenen Augen in den Himmel. Ein anderer sah aus, als würde er schlafen. Er lag auf der Seite, das Gesicht entspannt. Er war gar nicht so hässlich, wie Yanil sich einen Khaleri vorgestellt hatte. Bis zu dem Tag, als er von Zakuma aus nach Norden aufgebrochen war, hatte er überhaupt noch nie einen von ihnen gesehen. Er hatte sie für Dämonen gehalten, mit hässlichen Fratzen und spitzen Zähnen. Es schockierte ihn beinahe, dass sie wie normale Menschen aussahen. Was trieb dieses Volk an, aus dem Nichts zu erscheinen und ein ganzes Land für sich zu beanspruchen?
    Die anderen Leichen waren die seiner Kameraden. Yanil fuhr ein Stich in die Brust. Er hatte als einziger überlebt. Er fühlte sich schlecht deshalb. Der Anführer einer Truppe sollte nicht leben, während seine Schützlinge den Tod fanden. Er wandte den Blick von Ilavs totem Körper ab. Ihm fehlte ein Arm, sein Mund war zu einer schmerzverzerrten Grimasse erstarrt. Orys und Yerem sah Yanil nur von hinten, sie lagen ein ganzes Stück entfernt. Er war froh, sich den Blick in ihre Gesichter ersparen zu können.
    Eine Weile lang blieb Yanil sitzen. Er wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Hatte er überhaupt etwas gewonnen durch sein Überleben? Vermutlich nicht. Wenn er hinter der nächsten Biegung nicht erneut einer Gruppe seiner Feinde in die Arme
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher