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Feuersbrut - Der Untergang

Feuersbrut - Der Untergang

Titel: Feuersbrut - Der Untergang
Autoren: Nadine Kühnemann
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lief, würde er verhungern und verdursten.
    Diese menschlichen Grundbedürfnisse waren es letztlich, die Yanil dazu trieben, seinen Standort aufzugeben und aufzustehen. Er wunderte sich beinahe selbst darüber, dass es ihm leicht fiel, sich auf den Beinen zu halten. Er hatte sich weder etwas gebrochen, noch schien er innere Verletzungen davongetragen zu haben. Die überlebenden Khaleri hatten ihn wahrscheinlich für tot gehalten und waren weitergezogen.
    Aus der neuen Perspektive sah das Leichenfeld um ihn herum kaum besser aus. Er verspürte den dringenden Wunsch, diesen Ort zu verlassen. Jedoch bestand die vage Möglichkeit, dass er bei den Verstorbenen etwas fand, das ihm nützte. Er verdrängte den Gedanken, dass er früher oder später ohnehin sterben würde. Der Lebenswille war stark, stärker als die Verzweiflung.
    Yanil überwand seinen Ekel und untersuchte die Leichen. Die Ausbeute war gering. Zwei der Khaleri trugen absolut nichts bei sich, das es nicht mitzunehmen gelohnt hätte. Lediglich am Gürtel des dritten, demjenigen, der scheinbar schlafend auf der Seite lag, hing ein halb voller Wasserschlauch. Mit fahrigen Fingern löste Yanil ihn und nahm einen tiefen Schluck. Er musste sich zwingen, den Rest nicht auch noch hinunterzustürzen. Er musste sich das Wasser aufsparen bis zur nächsten Quelle oder dem nächsten Regenguss.
    Der Tote trug noch einen kleinen Lederbeutel bei sich, der mit einer Kordel an seinem Gürtel befestigt war. Gold? Yanil löste die Lasche und griff hinein, mehr aus Neugier als aus dem Wunsch heraus, sich an Zahlungsmitteln zu bereichern. Ein Mazari des Waldes kannte kein Geld, benötigte es auch nicht. Münzen waren die Erfindung des Königs und das Zahlungsmittel der Khaari.
    Yanils Finger schlossen sich um einen kleinen Gegenstand, dessen Oberfläche sich wie Holz anfühlte. Er zog ihn heraus und förderte ein geschnitztes Schaukelpferd zutage, liebevoll in den Details. Er stutzte, drehte es mehrfach in den Händen und konnte sich nicht erklären, was dieses Monster mit einem Kinderspielzeug anzufangen gedachte. Er hatte bislang nie darüber nachgedacht, ob die Khaleri Familien gründeten. Er hatte noch nie eine ihrer Frauen zu Gesicht bekommen. Er hatte immer geglaubt, sie seien die dämonischen Neuschöpfungen eines tyrannischen Gottes, der sie wie eine Plage über das Land jagte, kaum mehr Wert als ein Schwarm Heuschrecken. Dass sie Frauen und Kinder hatten, entzog sich seinem Vorstellungsvermögen, es erschütterte ihn sogar in seinen Grundfesten.
    Als er das Holzpferd zurück in den Beutel des Toten steckte, gab dieser plötzlich einen Laut von sich, ein leises Wimmern. Yanil wich zurück wie vor etwas Giftigem. Beinahe hätte er aufgeschrien. Der Kerl lebte noch!
    Das Wimmern ging in ein etwas lauteres Murren über, als wäre er mitten in der Nacht im Tiefschlaf geweckt worden. Er schlug die Augen auf, langsam und scheinbar nicht ahnend, wer vor ihm saß. In den ersten Sekunden nach seinem Erwachen zeigte er den typischen Gesichtsausdruck eines Mannes, der nicht wusste, wo er sich befand. Vielleicht glaubte er, daheim in seinem Bett zu liegen, sofern die Khaleri überhaupt in Betten schliefen. Dann klärte sich sein Blick, und man sah ihm förmlich an, wie es in seinem Hirn arbeitete. Ein letzter Rest Farbe wich aus seinem ohnehin schon blassen Gesicht. Er zuckte zusammen, als hätte er sich fürchterlich erschreckt, auch Yanil saß auf seinem Hinterteil, kroch einen Schritt zurück und starrte den Mann aus geweiteten Augen an. Ihre Blicke trafen sich, klebten für die Dauer eines Herzschlags aneinander, ehe der Fremde seinen Oberkörper hastig aufrichtete und mit den Händen um sich tastete, als würde er etwas suchen. Was auch immer es war, er fand es nicht. Seine Bewegungen wurden immer panischer, er wollte aufspringen, schrie vor Schmerz und ließ sich zurück auf den Boden sinken. Yanil beobachtete ihn stumm. Er fühlte sich nicht in der Lage zu handeln, hätte auch nicht gewusst, was er in dieser Situation hätte tun sollen. Natürlich, er hätte das Messer suchen können, das er beim Kampf gegen seinen ersten Gegner hatte fallen lassen, um auch diesen Kerl in den Tod zu schicken, aber der Gedanke lag ihm mit einem Mal so fern als ginge es darum, auf einer Hochzeit ein Trauerlied zu singen. Sein Verstand ermahnte ihn, dass er einem Feind gegenüber saß, der seinerseits keine Sekunde zögern würde, ihn anzugreifen, sollte er einer Waffe habhaft werden. Yanil
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