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Feuermale

Feuermale

Titel: Feuermale
Autoren: Tami Hoag
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genug, und sie brauchte jetzt etwas Positives.
    Aber sie war nicht stark genug. Nicht so, wie sie dachte.
    Sie fühlte sich zu wund, zu müde, zu nahe an der Oberfläche. Sie fühlte sich, als hätte sie mehr verloren, als das Feuer genommen hatte. Ihr Glaube an ihr Urteilsvermögen war erschüttert worden. Die Ordnung ihrer Welt stand Kopf. Sie hatte das starke Empfinden, sie hätte fähig sein müssen, zu verhindern, was passiert war.
    Der Fluch des Opfers. Sich selbst überlisten. Seinen Mangel an Kontrolle über die Welt um sich herum hassen.
    Die Frage war, ob ein Mensch sich darüber erheben konnte, sich daran vorbeidrängen, über die Erfahrung hinauswachsen.
    Sie trug das Fotoalbum nach draußen und legte es in eine Schachtel auf der Hintertreppe. Der Garten war überflutet von gelborangem Licht, als die Sonne ihren frühen Rückzug vom Tag begann. Das diffuse Licht fiel wie Dunst über ihren wintertoten Garten und eine Statue, die sie vergessen hatte für den Winter einzumotten – eine Elfe, die auf einem Podest saß und ein Buch las. Nur von toten Stielen umgeben wirkte sie viel zu exponiert und verletzlich. Sie hatte den seltsamen Drang, sie hochzunehmen und wie ein Kind zu halten. Sie zu beschützen.
    Eine weitere Woge von Emotionen trieb ihr die Tränen in die Augen, als sie daran dachte, wie Angie so klein und jung ausgesehen hatte in dem viel zu großen Krankenhaushemd, den Blick auf den winzigen Schutzengel in ihrer Hand gerichtet.
    Vor dem Haus knallte eine Autotür, und als sie um die Hausecke herumspähte, sah sie Quinn von einem Taxi weggehen. Bei seinem Anblick wurde ihr sofort leichter ums Herz, so wie er aussah, wie er sich bewegte, die gerunzelte Stirn, als er zum Haus hochsah, ohne zu merken, daß sie ihn beobachtete, wärmte er ihre Seele.
    Und genauso schnell spannten sich ihre Nerven an.
    Sie hatten in den Tagen seit dem Feuer nicht viel voneinander gesehen. Die Abwicklung des Falles hatte praktisch Quinns gesamte Zeit beansprucht. Die Medien hatten sich um ihn gerissen, als sie darauf bestanden, daß jeder Aspekt des Falls noch einmal durchgekaut, analysiert und noch einmal analysiert werden mußte. Und dann die offizielle Berufung zurück nach Quantico, wo mehrere Fälle auf ihn warteten, die alle gleichzeitig den Höhepunkt erreichten. Selbst ihre Telefonate waren kurz gewesen, und beide waren den großen Fragen ihrer Beziehung ausgewichen. Der Fall hatte ihn nach Minneapolis gebracht. Der Fall hatte sie zusammengebracht. Der Fall war vorbei. Was jetzt?
    »Ich bin hinterm Haus!« rief Kate.
    Quinn fixierte sie, als er den Weg am Haus entlang auf sie zuging. Sie sah lächerlich und schön aus in ihrem Schutzhelm und einem viel zu großen grünen Segeltuchmantel. Schön, obwohl sie durch und durch mitgenommen, durchgebeutelt, angeschlagen war.
    Er hatte sie fast verloren. Wieder. Für immer. Der Gedanke traf ihn etwa alle fünf Minuten mit der Wucht eines Hammers in den Solarplexus. Und teils hätte er sie fast verloren, weil er nicht fähig gewesen war, das Monster vor seiner Nase zu sehen, das er eigentlich besser hätte kennen müssen als jeder andere auf dieser Welt.
    »He, Schönheit«, sagte er. Er ließ die Koffer auf den Boden fallen, nahm sie in die Arme und küßte sie – nicht sexy, sondern auf eine Art, die sie beide tröstete. Der Helm kippte nach hinten und fiel hinunter, ließ ihr Haar wie einen Wasserfall über ihren Rücken strömen. »Wie läuft’s denn?«
    »Es kotzt mich an. Ich hasse es«, sagte sie ohne Umschweife, echt Kate eben. »Ich hab mein Haus gemocht.
    Ich hab meine Sachen gemocht. Ich mußte schon einmal neu anfangen. Ich möchte es nicht nochmal tun. Aber das Leben sagt: ›Hohe Latte‹, und was hab ich für eine Wahl?
    Zähne zusammenbeißen und weitermarschieren.«
    Sie zog die Schultern hoch und brach den Augenkontakt ab. »Besser als Angies Deal mit dem Leben. Oder Melanie Hesslers.«
    Quinn nahm ihr stures Kinn in seine Hand und drehte ihr Gesicht wieder zu sich. »Übst du wieder Selbstkasteiung, Kathryn Elizabeth?«
    Sie nickte und ließ ihn die Tränen mit dem Daumen von Ihrem Gesicht wischen.
    »Das tu ich auch«, beichtete er und fand ein ironisches Lächeln.
    »Wir sind vielleicht ein Paar. Stell dir vor, wie toll die Welt wäre, wenn du und ich sie wirklich kontrollieren würden.«
    »Wir würden es auf jeden Fall besser machen als wer auch immer jetzt gerade dabei ist«, versprach sie, dann erschauderte sie. »Oder ich würde es vermasseln,
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