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Feuermale

Feuermale

Titel: Feuermale
Autoren: Tami Hoag
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der Wand und schlug das Seitenfenster ein, gerade als Kovác die Treppe hochgerannt kam. Ein paar Sekunden später waren sie drin. Ihr Blick fiel auf einen Blutfleck an der Wand in der Nähe des Arbeitszimmers.
    »Kate!«
    Ihr Schrei kam von irgendwo tief im Haus. »Angie!
    NEIN!«

    Angie drehte das Messer in ihren blutigen Händen, starrte die Klinge an. Sie ließ die Spitze die zarte Haut ihrer Handgelenke küssen.
    »Angie, nein!« schrie Kate, bäumte sich gegen die Fesseln. »Tu’s nicht! Bitte, tu’s nicht! Komm schneid mich los. Dann besorgen wir Hilfe für dich.«
    Sie konnte Rob nicht sehen, wußte aber, daß er zusammengebrochen neben dem Trockner auf dem Boden lag.
    Sie konnte gurgelnde Geräusche aus seinem Hals hören.
    Er hatte im Fallen den Leuchter umgeworfen und die Flammen hatten ein bißchen was von dem Benzin gefunden, das er wohl ausgegossen hatte, während Kate bewußtlos gewesen war. Es entzündete sich mit einem Wusch.
    Die Flammen würden der Brennstoffspur folgen, auf der Suche nach mehr Brennstoff. Der Keller war mit Möglichkeiten vollgestopft – Schachteln voller Gelumpe, das ihre Eltern gerettet und dann abgelegt hatten, Zeug, das sie längst hatte wegwerfen wollen, aber es nie geschafft hatte, und dazu die obligaten halbleeren Farbdosen und anderen gefährlichen Chemikalien.
    »Angie. Angie!« sagte Kate. Sie versuchte, die Aufmerksamkeit des Mädchens auf sich zu lenken. Angie, die dastand und ihrem eigenen Tod ins Gesicht sah.
    »Michele wird mich nicht lieben«, murmelte das Mädchen und sah den Mann an, den sie gerade getötet hatte.
    Sie klang enttäuscht von sich selbst, wie ein kleines Kind, das mit Buntstift an die Wand geschmiert hat und dem dann einfällt, daß das schlimme Folgen haben wird.
    »Kate!« ertönte Quinns Brüllen von oben.
    Angie schien die Schreie oder das Donnern männlicher Schritte nicht zu hören. Sie drückte die Klinge des Messers der Länge nach gegen den Schatten einer Ader an ihrem Handgelenk.
    »Kate!«
    Sie versuchte »Im Keller!« zu schreien, aber ihre Stimme versagte. Die Flammen entfachten einen Karton mit Kleidern, die seltsamerweise für das Phoenix bestimmt waren, und tanzten begeistert – viel zu nah am Tisch. Kate riß an ihren Fesseln, aber es gelang ihr nur, sie noch fester um Handgelenke und Knöchel zu zurren. Sie verlor allmählich das Gefühl in den Händen.
    Sie versuchte, sich zu räuspern. Rauch rollte dick und schwarz aus den Schachteln.
    »Angie, hilf mir. Hilf mir, und ich werde dir helfen. Wär das kein guter Deal?«
    Das Mädchen starrte das Messer an. Der Rauchmelder am oberen Treppenabsatz schaltete sich endlich ein und das Donnern von Füßen steuerte darauf zu.
    Angie drückte die Klinge ein bißchen fester gegen ihr Handgelenk. Winzige Blutstropfen tauchten wie kleine Juwelen in einem Armband auf.
    »Nein, Angie, bitte«, flüsterte Kate, obwohl sie wußte, daß das Mädchen sie nicht einmal hören würde, wenn sie gebrüllt hätte.
    Angie sah ihr direkt ins Gesicht, und zum ersten Mal, seit Kate sie kennengelernt hatte, sah sie wie das aus, was sie war: ein Kind, das keiner je gewollt hatte, keiner je geliebt hatte.
    »Schmerzen«, sagte sie.
    »Rufen Sie die Feuerwehr!« schrie Quinn oben an der Treppe. »Kate!«
    »Joh –«
    Ihre Stimme überschlug sich, und sie begann zu husten.
    Der Rauch rollte die Decke entlang zum Treppenschacht und der neuen Quelle von Frischluft.
    »Kate!«
    Quinn lief die Treppe voran mit der 38er, die Kovác ihm geliehen hatte, sein Herz löschte alle bekannten Regeln der Vorgehensweise. Als er unter die Rauchwolkengrenze tauchte, galt seine ganze Aufmerksamkeit Kate, die an Händen und Füßen auf den Tisch gefesselt war, der Pullover aufgeschnitten, voller Blut, das auf ihrer Haut eine Pfütze gebildet hatte. Und dann wurde er auf das Mädchen neben dem Tisch aufmerksam: Angie DiMarco mit einem Metzgermesser in ihren Händen.
    »Angie, laß das Messer fallen!« schrie er.
    Das Mädchen hob den Kopf zu ihm, das Licht in ihren Augen verblaßte. »Niemand liebt mich«, sagte sie und schlitzte sich mit einem raschen Schnitt das Handgelenk bis zum Knochen auf.
    »NEIN!« schrie Kate.
    »Großer Gott!«
    Quinn stürmte mit Pistole im Anschlag quer durchs Zimmer.
    Angie fiel zu Boden, als das Blut aus ihrem Arm schwappte. Das Messer fiel zu Boden. Quinn trat es beiseite, packte den Arm des Mädchens mit einem Griff so fest wie eine Aortaklemme. Blut pumpte zwischen seinen Fingern hindurch.
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