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Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Titel: Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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ihm den Einbruch demonstrieren. Dann kommen die Polizisten allein
wieder raus und geben uns per Handzeichen zu verstehen, wir könnten jetzt rein
gehen und dem Kerl eine reinhauen. Was sagen Sie nun!«
    Der
Lockenkopf guckt Swensen mit sprühenden Augen erwartungsvoll an.
    »Andere
Länder, andere Sitten!«, sagt der lakonisch und zuckt übertrieben mit der
Achsel.
    »Das
meinen Sie doch nicht ernst, oder? Das kann man doch nicht machen! Er ist zwar
ein Lump, aber so was sind Polizeistaat-Methoden! Wir wussten im ersten Moment
gar nicht, wie wir uns verhalten sollten.«
    »Na,
Sie haben hoffentlich nicht zugeschlagen?«
    »Was
denken Sie von mir?«, ereifert sich der Düsseldorfer und sieht Swensen
eindringlich an. »Sagen Sie bloß, das ist auch bei der deutschen Polizei gang
und gäbe?«
    »Natürlich
nicht!«
    »Das
wär ja auch ein Ding!«
    Swensen
atmet innerlich durch. Er freut sich aufs Baden und hat keine Lust auf eine
Diskussion über Rechtsstaatlichkeit.
    Zugegeben,
die Polizeimaßnahme war nicht die feine englische Art, aber man ist hier in der
Türkei. Ich bin schließlich nicht für unterlassene türkische
Disziplinarverfahren verantwortlich.
    Faruk
macht die Leine los, balanciert mit dem Tau in der Hand über einen Holzbalken
zurück an Bord und zieht die provisorische Gangway danach aufs Boot. Jetzt
wirft der Kapitän den Motor an. Gleichzeitig ertönt aus einem Lautsprecher der
türkische Sommerhit Bebek von der Sängerin Izel. Der Ohrwurm des
Shootingstars wird im Moment Tag und Nacht an jeder Ecke der Stadt gedudelt.
Die Sonne brennt vom Himmel. Swensen flüchtet unter das gespannte Leinendach
und lehnt sich neben Anna über die Reling. Es duftet nach Amberbäumen. Die Özalp ,
offensichtlich nach dem Kapitän und seinem Sohn benannt, tuckert im
Disco-Rhythmus langsam den brauntrüben Dalyan-Flussarm hinunter, der sich in
großen Bögen durch ein Sumpfgebiet schlängelt. Beide Uferseiten sind mit hohem
Schilf zugewuchert. Schon vor dem Urlaub hatte Anna lange in ihrem Türkeiführer
herumgeblättert und herausgefunden, dass Dalyan übersetzt Fischreuse heißt.
    Am
Ende des Mündungsdeltas führt die Wasserstraße durch einen natürlichen, etwa
dreißig Meter breiten Kanal ins Mittelmeer. Links kann man den vorgelagerten
Îztuzu-Strand liegen sehen, dessen östlicher Teil zur Brutzeit der Carretta
carretta, der Wasserschildkröten, für Touristen gesperrt wird. Swensen sehnt
sich nach Abkühlung und lässt seine Hand ins Wasser gleiten. Irgendwie bekommt
er die makabere Story des Düsseldorfers nicht mehr aus dem Sinn. Die türkische
Polizei scheint nicht zimperlich zu sein, sinniert er und muss unwillkürlich an
eine unangenehme Situation denken, an der er selbst beteiligt war.
     
    Damals hatte die deutsche Exekutive sich ebenso wenig mit Ruhm
bekleckert. Das Ganze lag über zwanzig Jahre zurück, Herbst 1977. Später hieß
dieser Zeitabschnitt nur noch Deutschland im Herbst . Hanns-Martin
Schleyer war im September entführt worden. Die Täter hatten seinen Wagen mit
Maschinenpistolen angegriffen und dabei drei Polizisten und den Fahrer
ermordet. Der Arbeitgeberpräsident wurde in einen weißen VW-Bus gezerrt und
verschleppt.
    Swensen
war Schutzpolizist in Hamburg gewesen. Eine Woche nach der Entführung hatten
die Täter der Bundesregierung bereits das fünfte Ultimatum gestellt. Der
Gefangene Baader und alle in Stammheim Inhaftierten sollten bis 24.00 Uhr
freigelassen werden. Mit sechs Beamten machte die Polizeidirektion West am
selben Tag eine Verkehrskontrolle am Pferdemarkt, Ecke Stresemannstraße. Aus
der stadtauswärts rollenden Autoschlange sollten verdächtige Fahrzeuge
herausgepickt und überprüft werden. Die Bild hatte an diesem Tag auf der
ersten Seite das Foto vom verängstigten Schleyer abgedruckt. Vor ihm stand ein
Schild mit der Aufschrift » Seit 7 Tagen Gefangener der RAF «. Links über
ihm der Stern, die Buchstaben der RAF und ein Maschinengewehr. Schon bei
Dienstantritt wünschten einige Kollegen, die Zeitung in der Hand, den
Terroristen den Tod an den Hals. Swensen war das sehr unangenehm gewesen,
obwohl er diese Zurschaustellung des Opfers auch nicht richtig fand. Mit dem
Foto im Kopf, der Maschinenpistole im Anschlag, lauerte er mit zwei Kollegen in
Schutzwesten hinter dem Dienstfahrzeug, einem zivilen VW-Bus. Sie sicherten die
beiden anderen, die mit der Kelle die Fahrzeuge herauswinkten.
    Es
passierte völlig unerwartet. Polizeimeister Dörsing und
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