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Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen

Titel: Feuermal: Der zweite Fall für Jan Swensen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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pinkfarbenen Bodystocking
gezwängt, durch den sich der Rettungsring um ihre Hüfte besonders deutlich
abzeichnet. Darunter trägt sie eine schwarze Spitzenbluse aus der ihre prallen
Brüste quellen. Verlegen bleiben seine Augen an ihrer glitzernden Handtasche
hängen.
    »Nun
komm schon Mustafa! Es wird dir gefallen!«
    »Mein
Name ist Habib«, sagt er mit harter Stimme.
    »Habib,
ein schöner Name! Kommst du aus der Türkei?«
    »Nein,
ich bin Tunesier!«
    »Ana
Almania (Ich bin Deutsche)!«
    »Du
sprichst arabisch?«
    »Nein,
nur ein paar Brocken. Guten Morgen, S’bâh ei-cheir , guten Abend, m’sâ
el-cheir , gute Nacht, liltek saida . Bin letzten Winter mit TUI nach Djerba geflogen, an die Küste von Sidi Maharès. Wunderschön, besonders die
Halbinsel mit den Flamingos.«
    »Gleich
nebenan liegt Houmt-Souk, meine Heimatstadt.«
    »Da
war ich auch! Mit der Reisegruppe! Der Basar im Soukviertel!«
    Er
strahlt sie an, und sie weicht etwas zurück.
    »Gehst
du nun mit?« Ihre Stimme klingt merklich kühler.
    Er
nickt kurz. Sie dreht sich um, geht zur nächsten Haustür und öffnet sie mit dem
Schlüssel. Er steigt hinter ihrem wiegenden Gang das schmutzigdunkle
Treppenhaus hinauf. Ihr Zimmer besteht nur aus einem Bett, einer kleinen
Kommode, einem Stuhl und einem Waschbecken.
    »Wie
ist dein Name?«
    »Anita!«
    »Können
wir nicht ein wenig miteinander reden, Anita?«
    »Was
du möchtest, wenn du bezahlst. Jede angefangene halbe Stunde hundert Mark.«
    Er
zieht sein Portemonnaie aus der Tasche, nimmt einen Schein heraus und legt ihn
auf die Kommode. Während sie sich aufs Bett setzt, nimmt er auf dem Stuhl
Platz.
    »Warum
tust du das, Anita?«, versucht er irgendwie das Gespräch zu beginnen. Ihr
Mundwinkel verzieht sich. Ihm ist sofort klar, dass er sie verärgert hat.
    »Oh,
nee! Jetzt bloß keine dieser üblichen Moralpredigten, mein Lieber«, knurrt sie,
springt mit einem Satz auf die Beine, geht zur Tür und reißt sie auf. »Da
kannst du gleich wieder abhauen.«
    Als
er wieder auf der Straße steht, denkt er verwirrt darüber nach, was ihm gerade
passiert ist. Die Frau wollte lieber mit ihm schlafen, als nur ein wenig reden.
Eine dumme Idee zu glauben, in ihrer Nähe etwas Heimat spüren zu können. Seine
Zunge ist wie Staub.
    Zum
ersten Mal hatte er solch massiven Zorn außerhalb von sich selbst erlebt. Doch
ihre Wut war anders gewesen, es gab keine direkte Seelenverwandtschaft zwischen
ihnen.
    »Frag
doch mal, warum ihr Männer das hier macht!«, hatte sie ihn angebrüllt, als er
beruhigend auf sie einreden wollte. Es folgte eine Geschichte aus ihrem Alltag,
von einem Mann, der in Windeseile seine Nummer erledigen wollte, weil seine
kleine Tochter im Auto vor der Tür solange auf ihn warten musste.
    »Ich
geh nur schnell was einkaufen, hat er dem armen Kind gesagt. Nur schnell
einkaufen! Stell dir so was vor! So, und jetzt hör auf mich zu löchern! Raus!«
    Ihr
Befehl war unmissverständlich. Er hatte sich hinausgeschlichen wie ein feiger
Hund, ohne ein Wort der Widerrede. Doch er konnte die Hure nicht zurücklassen,
sie sitzt ihm seitdem im Nacken, ihr Gesicht verfolgt ihn über den Bürgersteig.
Scham steigt auf. Ihm wird heiß. Er will nur noch weg aus diesem Viertel, weg
aus der Beleuchtung in das Dunkel einer Seitengasse. Während er die Küterstraße
in Richtung Innenstadt entlang eilt, bemerkt er nicht, dass sich heimlich eine
Gestalt an seine Fersen geheftet hat. Er schaut auf die Uhr. 20.04 Uhr.
    Wir
sind erst ein paar Tage im September, und schon wird es früher dunkel, denkt
er.
    Im
selben Moment hört er hinter sich quietschende Reifen. Ein weißer Mercedes Vito
saust vorbei und stoppt direkt vor ihm auf der Straße. Die Seitentür wird
aufgerissen, ein mittelgroßer Mann mit schwarzer Wollkapuze über dem Kopf
springt heraus. Er spürt Gefahr, bleibt stehen und starrt erschrocken auf die
braunen Augen, die ihn aus dem Sehschlitz anblicken. Keuchender Atem dringt von
hinten an sein Ohr. Gleichzeitig werden seine beiden Hände gepackt und mit
einem massiven Griff seine Arme auf den Rücken gedreht. Ein Knie trifft seine
Magengrube. Schmerzverzerrt krümmt er sich zusammen und sackt auf den
Bürgersteig. Ein Stich in den Oberarm lässt ihn zusammenzucken. Sein Blick
vernebelt sich. Er will um Hilfe schreien, doch die Stimme versagt. Er merkt
noch, wie die kräftigen Männer ihn unter den Achseln packen. Als man ihn zum
Auto schleift, ist er bereits betäubt. Es ist Freitag, der 7. September
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