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Feuerbande

Feuerbande

Titel: Feuerbande
Autoren: Birgit Otten
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verwundert. „Hat dich am Ende dein Mut verlassen, Caitlín McRuadhrigh?“
    „Ich weiß nicht“; flüsterte ich und schaute an ihm vorbei in den Himmel. „Es war plötzlich so kalt, alles war kalt. Ich dachte, ich würde nie mehr warm werden. Und das Wasser – es war wie ein lebendiges Wesen, so... lauernd... und kalt...“
    Er schüttelte belustigt den Kopf, doch er küsste mich nicht mehr. Stattdessen kleidete auch er sich an und ließ sich an meiner Seite nieder. Eine Weile saßen wir schweigend, dann streckte er sich auf dem Boden aus, legte seinen Kopf in meinen Schoß und murmelte: „Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mich ein Weilchen ausruhe?“
    „Nein“, sagte ich. „Natürlich nicht.“ Und ich spürte, wie die Wärme in mich zurückkehrte, und ich saß ganz still, während tiefe, regelmäßige Atemzüge mir verrieten, dass er kurz darauf tatsächlich eingeschlafen war.
    Jetzt war es an mir, belustigt zu sein und die Schatten dieses Nachmittags damit gänzlich zu vertreiben. Meine Finger fuhren durch sein Haar, streichelten ihn liebevoll – er schlief so fest, dass er nicht einmal davon erwachte.
    Und da geschah es, dass ich etwas Hartes, Körniges unter meinen Fingern spürte, etwas, das nicht Haar und das nicht Kopfhaut war.
    Vorsichtig schob ich die Strähnen zur Seite. Eine – Muschel? Ich versuchte, sie zu lösen. Und dabei sah ich es dann deutlich – Sand, überall Sand und Schlamm, Spuren davon überall zwischen seinen Haaren...
    Meine Hände erstarrten, während die Kälte von neuem durch meine Glieder kroch. Irgendetwas stimmte hier nicht, stimmte ganz und gar nicht. Beim Bad gerade im See konnte all dies nicht in seinen Haaren hängen geblieben sein. Er war ja nicht einmal getaucht. Er war...
    Ja, wer war er eigentlich? Oder vielleicht eher noch – was ?
    Geschichten fielen mir wieder ein, Geschichten aus meiner Kindheit, irgendwo von den alten Frauen mitgehört, Bruchstücke nur von Wassergeistern, die ihre Opfer zu betören wussten, damit sie ihnen folgten in ihr Element – sie zu sich in ihr Wasser zogen – sie bannten und als Wasserpferd auf ihrem Rücken in ihr Reich mitnahmen, aus dem es keine Rückkehr gab.
    Konnte es sein? War es denn möglich? Konnte es sein, dass all dies mehr war als eben nur Geschichten, und dass es mir passieren musste, mir, Caitlín McRuadhrigh, die gedacht hatte, ihn zu lieben... bis er sie dazu bringen würde, ihm ins Wasser hinein zu folgen, auf die eine oder andere Weise?
    Ein Kelpie, ein Each Uisge... Mir war so kalt, dass meine Glieder zitterten, als ich die Gefahr zu erfassen begann, in der ich geschwebt hatte und in der ich noch immer schwebte. Und ich hatte ihm vertraut, ich hatte geglaubt... ich musste hier weg, so schnell wie möglich... und er durfte nicht erwachen, durfte nicht wissen, dass ich es wusste...
    Vorsichtig, ganz vorsichtig löste ich mich aus meinem Rock, schob mich über den rauen Heideboden rückwärts. Es kostete mich große Anstrengung, seinen Kopf dabei so zu halten, dass er dabei kaum bewegt wurde, doch die Angst verlieh mir alle Kraft, die ich brauchte. Es glückte mir, aus dem Kleidungsstück zu schlüpfen und seinen Kopf so sachte darauf zu betten, als läge er noch immer in meinem Schoß. Es glückte mir, mich leise, leise von ihm zu entfernen, bis ich mich sicher genug glaubte, loslaufen zu können.
    Und ich rannte, rannte über die Hügel nach Hause, und ich weinte den ganzen Weg.
     
    Daheim fing mich mein Bruder Donnchadh ab, und ich vertraute ihm alles an, ich konnte nicht anders, es musste heraus. Er sagte nicht viel und brachte mich zu Bett, und als meine Eltern vom Acker hereinkamen, erklärte er ihnen, ich sei krank, doch es würde schon wieder werden. Und am nächsten Morgen nahm er sein Schwert und verließ die Hütte im Morgengrauen, und ich lag unter meiner Decke und zitterte, unfähig, ihn aufzuhalten oder auch nur anzusprechen, unfähig, überhaupt irgendetwas zu tun.
    Meine Mutter blieb an diesem Tag besorgt bei mir, während ich an einem Fieber litt, das sie sich ebenso wenig erklären konnte wie Donnchadhs Verschwinden. Und als sie ging, mir eine Brühe zu kochen, hörten wir ein Geräusch an der Tür, und dort stand er, zurückgekehrt, mein Bruder Donnchadh, mit zerschrammtem Gesicht und aufgeplatzter Haut über dem Auge, mit wirrem Haar und einem Schwert, an dem dunkle Flecken klebten, die vorher noch nicht dort gewesen waren. Meine Mutter schrie auf und eilte zu ihm, doch er schritt
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