Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Feuerball

Titel: Feuerball
Autoren: Ian Fleming
Vom Netzwerk:
entsprechende Gerät die Streckfolter. Manche Leute sind eben Spaßvögel.«
    Bond ging durch den weißgetünchten Gang. In den Gesellschaftsräumen saßen Leute herum, lesend oder in leisem Gespräch - sämtlich ältere Semester, Mittelstand, meist Frauen, viele in häßlichen gesteppten Schlafröcken. Die warme, eingeschlossene Luft und die altmodischen Weiber machten Bond Platzangst. Er ging durch die Halle zum Haupteingang und trat in die herrlich frische Luft hinaus.
    Nachdenklich schlenderte er die schmale, gepflegte Zufahrt entlang und atmete den dumpfen Lorbeer- und Goldregenduft. Würde er das durchstehen? Gab es keinen Ausweg aus diesem Teufelsloch, außer er quittierte seinen Dienst? So in Gedanken versunken, wäre er fast mit einem Mädchen in Weiß zusammengestoßen, das eilig um eine scharfe Kurve der heckenumsäumten Zufahrt kam. Aber im Moment, als sie auswich - eben lächelte sie Bond amüsiert zu -, war ein zu rasch fahrender, violetter Bentley schon herangekommen. Bond konnte sie eben noch um die Taille fassen und sie mit einer passablen Veronika buchstäblich von der Motorhaube des Wagens heben. Als der scharf bremsende Bentley auf dem Kies hielt, setzte Bond das Mädchen gerade ab. Während er in seiner Rechten noch den Druck einer schönen Brust spürte, sagte das Mädchen: »Oh!« und sah mit verwirrtem Staunen an ihm hinauf. Dann erst begriff sie, sagte atemlos: »Ich danke Ihnen!« und wandte sich nach dem Wagen um, aus dem langsam der Fahrer kletterte. »Tut mir leid«, sagte er ruhig, »es ist doch nichts passiert?« Dann erst dämmerte es ihm, und er fügte besorgt hinzu: »Aber das ist doch Patricia! Wie geht’s, Pat? Alles für mich bereit?«
    Der Mann sah ungewöhnlich gut aus: Ein braungebrannter Frauenkiller mit elegantem Schnurrbart über einem gleichgültig harten Mund, wie ihn die Frauen in ihren Träumen küssen. Seine regelmäßigen Züge ließen auf spanische oder lateinamerikanische Abstammung schließen, und seine kühnen braunen Augen hatten einen merkwürdig nach oben geschwungenen Schnitt. Die athletische, etwa einsachtzig große Gestalt steckte in einem salopp geschnittenen, eleganten Fischgrätenanzug. Bond hielt ihn für einen gutaussehenden Windbeutel, der alle Frauen, die er wollte, bekam - ja vielleicht sogar von ihnen lebte - und gar nicht schlecht lebte.
    Das Mädchen hatte sieh wieder gefaßt und sagte streng: »Sie sollten wirklich vorsichtiger sein, Graf Lippe! Auf diesem Weg gehen immer Patienten und Personal, das wissen Sie doch! Wäre dieser Herr nicht gewesen« - sie lächelte Bond zu -, »Sie hätten mich glatt überfahren. Schließlich hängt draußen die große Warntafel!«
    »Es tut mir ja wirklich leid, meine Liebe, aber ich war in großer Eile. Ich bin ohnehin schon zu spät dran, um den guten Mr. Wain zu treffen - ich brauche wieder einmal eine Entschlackungskur, diesmal nach zwei Wochen Paris.« Er wandte sich herablassend an Bond: »Besten Dank, verehrter Sir. Sie reagieren rasch. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen -« Er hob die Hand, stieg in seinen Bentley - und weg war er, die Zufahrt hinauf.
    Das Mädchen sagte: »Nun muß ich aber wirklich fort, ich habe es eilig!« Sie machten beide kehrt und gingen dem Bentley nach.
    Bond begann zu fragen. »Arbeiten Sie hier?« Sie bejahte. Drei Jahre sei sie jetzt in Shrublands , und es gefalle ihr. Wie lange er bleibe? So plauderten sie weiter.
    Sie war ein sportlicher Typ von schlanker, aber kräftiger Gestalt, wie sie Bond mochte. Ohne den breiten, leidenschaftlichen Mund mit dem eigenwilligen Zug wäre ihre gesunde Hübschheit nur alltäglich gewesen. Der knappe Sitz ihres weißen Kittels verriet, wie wenig sie darunter anhatte. Bond fragte sie, ob sie sich hier nicht langweile und was sie mit ihrer Freizeit anfange.
    Lächelnd quittierte sie die Aufforderung. »Ach, ich habe so einen Kleinwagen, damit fahre ich viel in der Gegend herum. Es gibt auch wundervolle Spaziergänge, und man trifft immerzu neue Leute, manchmal recht interessante wie diesen Graf Lippe. Er kommt jedes Jahr und weiß viel Spannendes über Ostasien - China und so. Er selbst hat in Macao zu tun, das ist doch bei Hongkong, nicht?«
    »Ja, stimmt.« Also war die Augenstellung chinesischen Ursprungs. Und Macao, das ließ auf portugiesisches Blut schließen. Wäre interessant, etwas über seine Vergangenheit zu erfahren.
    Sie waren beim Eingang. Drinnen sagte das Mädchen noch: »Jetzt muß ich aber laufen! Nochmals vielen Dank,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher