Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feueraugen I. Das Dorf

Feueraugen I. Das Dorf

Titel: Feueraugen I. Das Dorf
Autoren: Alexander Zeram
Vom Netzwerk:
murmelnd verfolgt er mit dem Zeigefinger die 'bisherige Route' und versucht ihren Standort neu zu bestimmen. Erst als Zeramov erklärt, dass er 'draußen ein Licht' entdeckt habe, sieht er wieder auf.
    "Ein Licht? Dann müsste Rodolphe zurück sein."
    "Wer sonst, Chef. "
    Durchs Heckfenster können sie schwach einen flackernden Schein im Nebel ausmachen. Als Zeramov -alle Warnungen Baldwins missachtend- die Wagentüre an seiner Seite einen Spalt weit öffnet, wird das tiefe Brummen eines schweren Motorrades vernehmbar.
    "Ja, das ist er." Baldwin faltet die Karte ungeschickt und nur notdürftig zusammen. Mit einem riesigen Taschentuch trocknet er sich den Schweiß von der Stirne. Die Warterei und die verzweifelte Suche auf der Karte haben ihn sichtlich angestrengt. Jetzt aber kehrt Rodolphe zurück und das verleiht ihm Auftrieb.
    "Lass mal den Motor an, Cassius! Und Licht, damit er uns nicht verpasst." Baldwin öffnet jetzt selbst die Türe an seiner Seite und späht ins Freie. Sofort dringen dichte Nebelschwaden ins Wageninnere und er verlässt schimpfend seinen Platz.
    Kurz darauf steht er einer gedrungenen Gestalt im glänzenden Lederkostüm gegenüber.
    "Und?" fragt Baldwin ungeduldig, doch Rodolphe hat seinen Sturzhelm noch nicht abgenommen und kann nichts hören.
    "Und?" drängt auch Zeramov.
    Endlich nimmt Rodolphe den Helm ab. Er deponiert ihn vorläufig auf dem Wagendach und beginnt erst einmal kräftig zu husten. Sein ziemlich kurz geschnittenes, borstiges Haar zeigt, wie heiß es ihm in seinem Helm geworden ist. Sein Gesicht ist schweißüberströmt, Stirn und Wangen stark gerötet. - Die kleinen, hellen Augen funkeln dabei in gewohnter Weise ... angriffslustig!
    "Und?" Baldwin steht nicht ruhig da, er zappelt hin und her.
    "So 'ne Waschküche!" knurrt der Motorradfahrer und trocknet sich mit einem Tuch das Gesicht. "Komm' mir vor wie gebadet! Eine Hitze ist das hier drin! Schlechte Qualität dieser Anzug. Zu wenig Luftaustausch. Das war 's letzte Sonderangebot, das ich mir von ihnen hab' aufschwatzen lassen, Chef."
    "Was ist denn, Rodolphe? Wollen Sie uns Vorträge über die Vor- und Nachteile ihres Outfits halten?"
    "Ihnen scheint was über die Leber gelaufen zu sein, Chef, wie?"
    "Zum Teufel ... haben Sie die anderen gefunden?"
    "Klar. Da hinten!" erwidert Rodolphe gelassen und deutet in die Richtung, in der er die anderen weiß.
    "Und da steht der Kerl ruhig vor mir und erzählt von seinem Anzug! Ich würd' am liebsten ..." Baldwin stampft mit dem Fuß auf den Boden.
    "Immer mit der Ruhe! Auf ein paar Minuten kommt's jetzt wohl nicht mehr an, oder?"
    "Das nicht. Aber hätten Sie die anderen nicht gleich mitbringen können?" Baldwin kann nicht stehen bleiben. Er läuft vor Rodolphe hin und her.
    "Unter Umständen hätten wir dann die Brücke nicht mehr wiedergefunden, über die wir angeblich müssen. Der Signore steht da nämlich schon seit einiger Zeit und wartet auf uns!" erklärt Rodolphe und grinst noch ein bisschen unverschämter als bisher.
    "Na, so was? Die anderen haben die Brücke gefunden und waren auf dem richtigen Weg?" staunt Zeramov. "Hätt' ich wirklich nicht gedacht."
    "Hier wird überhaupt wenig gedacht." schimpft Baldwin. "Wenn uns dieser Tölpel jetzt nicht mehr zurück zu der Brücke führen kann, dann ...?"
    "Kein Problem, Chef!" unterbricht Rodolphe und stoppt somit einen aufkeimenden Wutausbruch. "Ich hab' den Weg genau im Kopf."
    "Hoffen wir's - hoffen wir's! Also los! Fahren Sie voraus. Aber langsam, ja?" Baldwin nimmt wieder seinen Platz hinter Cassius ein.
    Kurz darauf stellt Cassius seine Fahrkünste unter Beweis. Rodolphes Tempo mag für ein wendiges Zweirad kein Problem sein, der schwere Mercedes, den Baldwin erst vor einigen Tagen erworben hat, scheint für diese Geländetour weniger geeignet.
    "Ich hab' dem Kerl doch gesagt, dass er langsam fahren soll!" Baldwin flucht bei jeder Unebenheit der Schotterstraße. Die hervorragende Polsterung der Rücksitze tut ihres dazu, diese Fahrt zu einem Strapaziertest für sein Nervenkostüm umzufunktionieren. Immer wieder setzt er, der ewige Fuchtler, der sich nirgends festhält, zu unfreiwilligen Höhenflügen gegen die Wagendecke an.
    Cassius grinst, Zeramov kämpft gegen einen Lachkrampf an und Rodolphe ...?
    Der fährt unbeirrt und versucht sich dabei zu erinnern, ob es von einem markanten Punkt aus -einer einzeln stehenden, mächtigen Buche- rechts oder links abgehen sollte.
     
    *         *         *
     
    In dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher