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Feueraugen I. Das Dorf

Feueraugen I. Das Dorf

Titel: Feueraugen I. Das Dorf
Autoren: Alexander Zeram
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völlig dunkel sein wird und man vielleicht nicht mehr weiterfahren würde können.
    "Kehren wir lieber um?" schlägt er vor.
    "Wie weit ist' s denn noch?" will Michel wissen.
    "Knapp zehn Kilometer, schätze ich."
    "Zehn ..." Zeramov beginnt gekünstelt zu lachen, als Baldwin dies gesagt hat. "Mindestens fünfzehn, Chef!"
    Die Streiterei geht von vorne los. Sie eilen zurück zu ihrem Wagen, kramen die Karte hervor und breiten sie auf der Kühlerhaube aus. Baldwin deutet hektisch darauf herum - Zeramov steht kopfschüttelnd daneben.
    "No, wann man mecht bedenken, wie lang die Zwei schon zusammen arbeiten, dann mecht man sich schon fragen, warum se mit ihrer Karte nie wer'n einig."
    "Da haben Sie völlig recht, Chaim." Michel steckt sich gerade eine Zigarette an. Schmunzelnd sieht er hinüber zu den beiden Streithähnen.
    "Was macht es aus, wie weit es noch ist?" Ricci ist zum Mercedes hinüber gegangen. "Ob zehn oder fünfzehn Kilometer ...! Dio, es ist fast dunkel und wir sollten zurück in dieses Dorf fahren."
    "Zurückfahren?" kreischt Baldwin auf. "Jetzt, wo wir fast am Ziel sind? Ricci, Sie nerven mich mit ihren unüberlegten Vorschlägen."
    "Gott der Gerechte! Hot der wieder a Stimmung heit!" Dr. Chaim Glücklich seufzt laut - demonstrativ laut.
    "Wenn wir das Schloss allerdings ebenso lange suchen müssen wie diese Brücke, dann wird's bestimmt später" bemerkt Zeramov zweiflerisch.
    "Das war Rodolphes Schuld." wehrt sich Baldwin sofort. "Von einem einzeln in der Landschaft stehenden Baum aus hätte es rechts abgehen müssen, hat er uns erklärt. Und was brachte das? Eine knappe Stunde Irrwege hat's uns eingebracht."
    "Auf dem Hinweg bin ich rechts ab" knurrt der Motorradfahrer - etwas kleinlaut immerhin.
    "Dann ist's doch wohl logisch, dass man auf dem Rückweg links dran vorbei muss. Du ... Du Vollidiot!" Baldwin kocht bereits wieder vor Wut.
    Der Signore seinerseits, er scheint bei bester Laune zu sein. "Also wagen wir es trotzdem? Ich erwarte mir viel Spaß von diesem Schloss, Signore Baldwin. Was, Ricci, wir haben immer Spaß mit Signore Baldwin gehabt, eh?"
    Ricci nickt gleichgültig. "Si ... si!"
    Rodolphe hat sich unterdessen abgewandt. Ihn interessiert es kaum, ob man noch weiterfahren würde oder nicht. Selbst für den Fall, dass sie hier im Freien übernachten müssten, ist er gut ausgerüstet. In den großen Gepäcktaschen seines Motorrades hat er genügend Verpflegung und einen guten Schlafsack. Damit lässt sich seiner Meinung nach sogar in dieser ungemütlichen Gegend eine Nacht problemlos überstehen.
    Gut für ihn, denn eben entscheidet Baldwin und die anderen fügen sich ohne allzu deutlichen Widerspruch. "Egal, wie weit 's noch ist! Wir schaffen das!"
    "Na, dann 'masel tow'!" Dr. Glücklich nimmt seinen Platz im Ford wieder ein und lässt den Motor an. Kurz darauf fährt Rodolphe als Erster über die Brücke - gefolgt vom Wagen, in dem Cassius gerade seine letzten Anweisungen erhält.
    "Und bleib' dicht hinter ihm, Cassius! - Aber fahr' nicht wie der Henker. Ich hab' schon Kopfweh!"
    Draußen ist es unterdessen Nacht geworden und die Landschaft verschwimmt endgültig in neblig-milchiger Ungewissheit.
    "Hoffentlich ist das Schloss bewirtschaftet." Michel gähnt. Er ist hungrig, müde und wünscht sich das Ende des Tages herbei. Mit diesem Wunsch ist er natürlich nicht alleine.
    "Ich weiß nicht, warum Baldwin sich diesmal in so einer gottverlassenen Gegend nach einer authentischen Kulisse für seinen neuen Film umsehen will. Wenn er sich für den Film ein Château eingebildet hat, hätten wir das in Schottland einfacher haben können. Ich kenne da einen Mann, der vermietet sein Château regelmäßig für diesen Zweck." sagt Marlène.
    "Sie kennen unseren lieben Baldwin, Signora! Er will sein eigenes Schloss, in dem nur er filmen darf! Und niemand soll seine Kulisse je in einem anderen Film gesehen haben. Er will ein besonderes Erlebnis. Ich finde das sehr aufregend, interessant ... dramatico!" Der Signore ist nicht aus der Ruhe zu bringen; wenigstens er nicht!

-2-  Biwak
     
     
    "Na bitte, es ist stockdunkel und von unserem Schloss noch immer keine Zinne zu sehen." Zeramov krault sich seinen dichten Vollbart und lacht dabei in sich hinein. "Scheint so, als wären wir vorhin doch besser umgekehrt und zurück ins Dorf. Wir könnten jetzt gemütlich unten in der warmen Wirtsstube sitzen, und ich hätte bestimmt eine Menge interessanter Menschentypen zu beobachten."
    "Ist ja schon gut.
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