Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)

bleibt so unbewegt, wie die seines Chefs.
    »In Ordnung, Sir.«

    »Eine Karte, Sir?«
    Unschlüssig betrachtet er die Verkäuferin. Ist es üblich, eine Nachricht mitzuschicken? Normalerweise tätigt Andrew nicht selbstständig seine Einkäufe. Das ist der Erste seit ...
    Nun, äußerst langer Zeit. Aber wenn er diesen hasserfüllten, absolut nicht unterwürfigen Blick in seine Überlegungen miteinbezieht, ist die Idee vielleicht nicht schlecht. »Ja.«
    Die Angestellte reicht ihm eine der vorgefertigten Grußkarten. Nach kurzer Besinnung schreibt er:
    Miss Kent!
    Ich wünsche, dass Sie an Ihrem Arbeitsplatz
    in angemessener Kleidung erscheinen.
    Ihr heutiges Auftreten lässt mich bezweifeln,
    dass Sie über die erforderliche Ausstattung verfügen.
    Nutzen Sie den Inhalt dieser Lieferung, um die Zeit bis zu Ihrem ersten Gehaltsscheck zu überbrücken.
    Andrew Norton
    Als er am Schreibtisch in seinem Haus sitzt, kommen ihm die ersten ernsthaften Zweifel und nicht nur an seinem Verhalten, das heute derart wenig nachvollziehbar und schädlich ausgefallen ist. Der DS hält inzwischen nicht nur dauerhaft den Mund geöffnet, sein Blick verspricht darüber hinaus auch nichts Gutes. Andrew gelingt es jedoch, ihn weiterhin aus seinem vordersten Bewusstsein zu drängen; die Abrechnung kommt ohnehin, da sollte er die Ruhe vor dem Sturm so lange wie möglich auskosten.
    Stattdessen sieht er ihre Augen vor sich. Ja, sie sind sehr grün und von diesem seltsamen Hass erfüllt. Daneben zeugen sie jedoch von jeder Menge Unschuld. Er hat ihre Gestalt zierlich und schlank in Erinnerung – nun ja, wohl eher dürr.
    Zum Vergleich ruft er sich Lara ins Gedächtnis: blondes Haar, volle Brüste, aufreizendes Lächeln und jederzeit perfektes Make–up. In der kurzen Zeit, in der er seine Bekanntschaft zu ihr pflegte, hat er sie nie anders erlebt. Doch genau das ist der Deal,Teil des Handels, den er mit der jeweils aktuellen Frau für die gewissen Stunden eingeht. Eine gibt es immer; er sorgt für ihr Auskommen, sie für sein Vergnügen.
    Andrew lernte Lara bei einem geschäftlichen Brunch kennen, auf dessen Besuch er nicht wie normalerweise verzichten konnte. Sie befand sich in Begleitung eines seiner Geschäftspartner, dessen Gattin bei den Kindern zu Hause geblieben war. Mehr als zwei eindeutige Blicke waren nicht erforderlich, bevor die Dame begriff, dass sie bei Andrew Norton den weitaus größeren Gewinn zu erwarten hat. Im Grunde ist seine frischgebackene Ex–Geliebte wie er: stets auf ihren Vorteil bedacht, berechnend, kalt und professionell. Eine Woche lang feilten sie an den Bestandteilen ihres Abkommens, dabei erwies sie sich als äußerst zäher Verhandlungspartner. Völlig in Ordnung.
    Allerdings kaufte er das Appartement zum ersten Mal in einer anderen Stadt als Tampa. Das war eine Komponente des Vertrages, weil Lara dort seit Jahren sesshaft ist. Manchmal ist er durchaus zu Kompromissen bereit, auch wenn die Fahrtzeit seine Pläne sehr ungünstig beeinflusste. Der DS war dementsprechend missgestimmt …
    Verstohlen wagt er einen visuellen Ausflug in dessen Ecke und verzieht das Gesicht. Denn der Soldat verschränkt demonstrativ die Arme, nickt lauernd und sein Grinsen verspricht nach wie vor jede Menge Ärger.
    … Nein, der DS mag Andrews Eskapaden in Sachen Mädchen keineswegs. Jedoch hält das seinen Schützling nicht davon ab, sie dennoch beizubehalten. Selten, aber mit Kontinuität. Lara hat ihn nie enttäuscht. So, wie er seinen Verpflichtungen nachkam, hielt sie sich an ihre. Doch es kostete ihn lediglich einen Wimpernschlag und keinen zweiten Gedanken, um diese Verbindung zu lösen. Außerdem verspürt er nicht das geringste Bedürfnis, noch einmal persönlich mit ihr zu sprechen.
    In der Vergangenheit hat Andrew gelernt, dass es am sinnvollsten ist, derartige Dinge Finchs’ fähigen Händen zu überlassen. Eine Abfindung je nach Dauer der Beziehung ist immer empfehlenswert, und er pflegt, die Damen für mindestens einen weiteren Monat unter Beobachtung zu belassen. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, er hatte bisher allerdings nie den Eindruck, darauf verzichten zu können.
    Es gilt, seinen guten Ruf zu wahren.
    Die Verschwiegenheitserklärung, welche die jeweils aktuelle Bettgenossin unterschreiben muss, mag eine gewisse Abschreckung darstellen. Aus Erfahrung weiß er jedoch, wie eine gekränkte Frau reagieren kann. Weshalb ihm leider auch bekannt ist, wie wenig sich die vermeintlich beleidigte Dame für seine Anwälte