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Feuer und Glas - Der Pakt

Feuer und Glas - Der Pakt

Titel: Feuer und Glas - Der Pakt
Autoren: Brigitte Riebe
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hatte, sprang auf und lief zu Milla. Mit einem geschmeidigen Satz sprang er auf ihren Schoß und ringelte sich ein.
    »Du solltest ihnen endlich reinen Wein einschenken«, sagte sie zu Nikos. »Sag ihnen, weshalb du sie herbestellt hast. Wir haben noch so einiges zu bewerkstelligen, bevor wir zurück nach Hause segeln können!«
    Ganeshs große Ohren wackelten, so eifrig begann er zu nicken.
    »Ihr wollt zurück nach Konstantinopel?«, rief Milla.
    »Du hast den Brief deines Vaters bei dir?«, konterte Nikos mit einer Gegenfrage. »Dann leg ihn bitte auf den Tisch!«
    Obwohl sie mit dieser Aufforderung gerechnet hatte, zögerte Milla unwillkürlich. Was hatte sie nicht alles getan, um ihn zu retten! Es war lediglich ein verknittertes Pergament, dem man inzwischen ansah, was es alles mitgemacht hatte – aber doch das Einzige, was sie noch von ihrem Vater besaß!
    Schließlich fasste sie in ihre Rocktasche und zog ihn heraus.
    Als sie das zarte Blau um Lucas Kopf bemerkte, wusste sie, dass er ihr eigenes Leuchten ebenso sehen würde.
    Nikos unternahm keinerlei Anstalten, den Brief zu berühren.
    »Ich möchte, dass du ihn auffaltest«, sagte er. »Bist du dazu bereit, Milla?«
    Sie nickte, gerührt von seiner unerwarteten Feinfühligkeit.
    »Sieh ihn dir genau an«, fuhr Nikos fort. »Was siehst du?«
    Was meinte er damit? Milla spürte, wie ihre freudige Erwartung in sich zusammensank.
    »Die Handschrift meines Vaters«, sagte sie, leicht ungehalten, weil sie die Frage eigentlich überflüssig fand. »Ein wenig schludriger, als ich sie kenne. Als sei er in großer Eile gewesen. Oder als hätte jemand ihn bedrängt. Seine Zeilen haben mich schließlich zur gläsernen Gondel geführt. Aber das wisst ihr alle ja längst!«
    »Was siehst du?«, wiederholte Nikos.
    »Das habe ich doch gerade gesagt!«, fuhr Milla auf.
    »Vielleicht solltest du einmal mit der Hand darüberfahren.«
    »Wozu?«
    »Mach es einfach.« Nikos blieb unverändert freundlich. »Fang links oben an, bis du unten rechts angekommen bist.«
    Milla folgte seiner Aufforderung.
    Sie spürte die winzigen Unebenheiten der mehrfach bearbeiteten Tierhaut, bis ihre Finger plötzlich innehielten.
    »Da unten ist etwas«, rief sie. »Eine Art Einkerbung. Als ob jemand etwas hineingeschnitten hätte!«
    »Ja«, sagte Nikos. »Du bist auf der richtigen Spur!«
    Milla beugte sich tiefer über das Pergament, berührte es abermals.
    »Es fühlt sich an wie … eine Blume. Mit spitzen, länglichen Blättern und einem Blütenkopf, der wie ein Turban geformt ist. Ich spüre es ganz genau: Wieso habe ich das bislang noch nie bemerkt?«
    Nikos volles Gesicht begann vor Freude zu glühen.
    »Wie oft man nur das sieht, was man weiß«, sagte er und berührte ebenfalls die besagte Stelle. »Diese Blume ist eine Tulpe, › Lale ‹, wie man in Konstantinopel sagt – das Zeichen von Sultan Bayezid, den man auch den Frommen nennt. Kein Pergament verlässt seinen Palast, das nicht diese Markierung trägt. Und seine Papierbögen haben die Tulpe als Wasserzeichen.«
    »Woher weißt du das?«, riefen Milla und Savinia wie aus einem Mund.
    Nikos begann breit zu lächeln.
    »Ich hatte schon mehrmals Gelegenheit, in geschäftliche Beziehungen mit dem Sultan zu treten – und dazu gehört natürlich auch der entsprechende Schriftverkehr. Seit er seinen aufrührerischen Bruder Cem besiegt und die Herrschaft über das Osmanische Reich gefestigt hat, hat er sich mit großer Freude der Astrologie und den schönen Künsten hingegeben. Sultan Bayezid ist ein hervorragender Bogenschütze, zudem äußerst bewandert im Steinschneiden, Silbertreiben und Drechseln. Außerdem liebt und bewundert er die Glaskunst von ganzem Herzen.«
    Milla streifte Marin mit einem kurzen Blick.
    Was wusste er darüber?
    Mit seinen Andeutungen über den Feuerkopf hatte er sie nach Ondana gelockt. Aber war sie dort ihrem Vater nicht auch tatsächlich begegnet?
    An der Art, wie der alte Gondelbauer leicht verlegen an seiner Jacke nestelte, erkannte sie, dass er ganz genau wusste, was sie soeben dachte.
    Dann wandte sie sich Nikos zu.
    »Willst du damit sagen, dass mein Vater im Sultanspalast von Konstantinopel gefangen gehalten wird?« Millas Augen waren tiefgrün.
    Nikos zog die Schultern hoch.
    »Es wäre zumindest eine Möglichkeit, die das Nachdenken lohnt«, sagte er. »Meinst du nicht auch?«
    »Und wieso kommst du erst jetzt damit heraus?«, fragte Milla aufgeregt.
    »Weil ihr aus diesem Brief ja immer so ein
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