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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition)
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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dichterischen Geist der toten Sommergöttin glich, die in dem opalschimmernden Schrein verschlossen ruhte, und zwar so deutlich, daß es greifbar schien. Und eine fast kindische Lust ergriff sie, sich in seinen Augen wie in einem Spiegel zu erblicken, um den Reflex ihres wirklichen Seins zu sehen.
    Was ihren Schmerz noch peinvoller machte, war die Erkenntnis einer unbestimmten Übereinstimmung zwischen dieser Erregung und der Sehnsucht, die sich ihrer bemächtigte, sich in das phantastische Bild hinein zu versetzen, um ein erhabenes Geschöpf der Kunst zu verkörpern. Lockte er sie nicht hinauf, um in dieser Sphäre eines erhabeneren Lebens zu leben? Und damit sie ihrer Alltagspersönlichkeit ledig in die Erscheinung treten könne, bedeckte er sie nicht mit glänzenden Larven? –
    Aber während es ihr nicht gegeben war, auf so angespannter Höhe zu verharren, es sei denn mit einer äußersten Kraftanstrengung, sah sie den andern sich dort mit Leichtigkeit behaupten, wie in seiner natürlichen Daseinssphäre, und sich ohne Ende an einer Wunderwelt freuen, die er in beständiger Schöpferkraft erneute.
    Ihm war es gelungen, in sich selbst die innige Verbindung der Kunst mit dem Leben zu vollenden und im Innern seiner Wesenheit eine unversiegbare Quelle von Harmonien zu finden. Es war ihm gelungen, in seinem Geiste ohne Unterbrechungen die geheimnisvolle Eigenschaft lebendig zu erhalten, der das Werk der Schönheit entspringt, und so mit einem Mal die flüchtigen Erscheinungen seines wechselreichen Lebens in ideale Gestalten umzuwandeln. Auf diese seine Fähigkeit wies er hin, als er einer seiner Gestalten die Worte in den Mund legte: »Ich beobachtete in meinem eigenen Innern die beständige Genesis eines höheren Lebens, in dem alle Erscheinungen sich verwandelten, wie durch die Kraft eines Zauberspiegels.« Er war mit einer ungewöhnlichen Gabe des Wortes ausgestattet, und ihm gelang es im Augenblick, selbst die kompliziertesten Arten seiner Sensibilität mit einer Exaktheit und lebendigen Plastik in seine Sprache zu übersetzen, daß sie zuweilen, kaum ausgesprochen, nicht mehr zu ihm zu gehören schienen, durch die isolierende Kraft des Stils gegenständlich wurden. Seine klare und durchdringende Stimme, die die musikalische Figur jedes Wortes mit einer scharfen Kontur zu umziehen schien, verstärkte noch den Eindruck dieser Besonderheit seiner Sprache. So daß in denen, die ihn zum erstenmal hörten, ein aus Bewunderung und Abneigung gemischtes Gefühl entstand für ihn, der sich selbst in so bestimmten Formen offenbarte, die sich aus einem Willen zu ergeben schienen, der beständig darauf bedacht war, zwischen sich und den Außerhalbstehenden eine tiefe, unübersteigliche Kluft festzustellen. Aber da seine Sensitivität seinem Intellekt gleichkam, so war es für die, die ihm nahe standen und ihn liebten, ein leichtes, durch den Kristall seiner Rede hindurch die Wärme seiner leidenschaftlichen und ungestümen Seele zu empfangen. Sie kannten die unendliche Mannigfaltigkeit seiner Empfindungs- und Einbildungskraft, sie wußten, aus welchem Feuer die schönen Bilder erstanden, in die er die Wesenheit seines inneren Lebens umzuwerten pflegte.
    Wohl wußte sie es, die er Pierdita nannte. Und wie der fromme Mensch vom Herrn den überirdischen Beistand für seine Erlösung erwartet, so schien sie darauf zu warten, daß er sie endlich in den notwendigen Gnadenzustand versetze, damit sie sich zu jenem Feuer erheben und darin verharren könne, zu dem sie getrieben wurde von einem tollen Wunsch, in Flammen aufzugehen und sich aufzulösen, aus Verzweiflung, auch die letzte Spur ihrer Jugend verloren zu haben, und in der Furcht, sich allein in grauer Einsamkeit zu finden.
    »Jetzt sind Sie es, Stelio« – sagte sie mit ihrem schwachen, lauschenden Lächeln, indem sie ihre Hand sanft aus des Freundes Hand löste – »jetzt sind Sie es, der mich berauschen will.«
    »Sehen Sie« - rief sie, um den Zauber zu brechen, auf eine schwerbeladene Barke deutend, die ihnen langsam entgegenkam – »sehen Sie Ihre Granatäpfel.«
    Aber ihre Stimme klang bewegt. Und sie sahen in dem traumhaften Dämmerlicht auf dem Wasser, dessen zartes Silbergrün an die neuen Blätter der Flußweide gemahnte, die Barke vorübergleiten, hoch beladen mit der symbolischen Frucht, die die Vorstellung von reichen und verborgenen Schätzen erweckte, fast wie scharlachrote Lederschreine, die die Krone des königlichen Gebers zierte, einige geschlossen,
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