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Feuer (German Edition)

Feuer (German Edition)

Titel: Feuer (German Edition)
Autoren: Gabriele d'Annunzio
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seinem eigenen grünlichen Schatten tauchte der achteckige Tempel auf, den Baldassare Longhena einem Traume des Polifilo nachbildete, mit seiner Kuppel, seinen Voluten, mit seinen Statuen, seinen Säulen, seinen Pilastern, seltsam und prächtig, wie ein Meerschloß, das den gewundenen Formen der Muschel nachgebildet weißlich wie Perlmutter schimmert, und auf dem sich in den Höhlungen der Steine durch den feuchten Salzgehalt etwas Frisches, Silbriges und Funkelndes abgesetzt hatte, das die Vorstellung weckte von perlmutterfarbenen Muscheln, die sich auf den heimischen Wassern öffnen.
    »Perdita« – sagte der Dichter, der sein ganzes Sein wie von einem geistigen Glücksrausch ergriffen fühlte, als er sah, wie seine Phantasien alles um ihn her belebten – »scheint es Ihnen nicht, als folgten wir dem Trauerzug des gestorbenen Sommers? In einer Trauerbarke ruht die Göttin des Sommers, in Gold gekleidet wie eine Dogaressa, wie eine Loredana, oder eine Morosina oder eine Soranza des leuchtenden Jahrhunderts, und der Trauerzug geleitet sie nach der Insel Murano, wo ein gebietender Geist des Feuers sie in einen opalschillernden Glasschrein betten wird, auf daß sie, in die Lagune versenkt, wenigstens durch ihre durchsichtigen Lider dem weichen Spiel der Algen zuschauen und sich einbilden kann, um den Körper noch immer das wollüstige Wogen ihres Haares zu spüren, während sie der Stunde der Auferstehung entgegenharrt.«
    Ein unwillkürliches Lächeln erschien auf dem Gesicht der Foscarina, das von den Augen ausging, die die schöne Erscheinung in Wahrheit gesehen zu haben schienen. Dieses improvisierte Gleichnis – das Bild, wie der Rhythmus – gab in der Tat die Stimmung wieder, die rings umher über allen Erscheinungen lag. Wie der bläuliche Milchton des Opal voller verborgener Feuer ist, so barg das gleichmäßig bleiche Wasser des großen Beckens einen versteckten Glanz, den die Ruderschläge enthüllten. Jenseits des starren Waldes von Schiffen, die vor Anker lagen, stand San Giorgio Maggiore wie eine große rosenfarbene Galeere, den Bug der Fortuna zugewendet, die sie von der Höhe ihrer goldigen Sphäre an sich zog. Dazwischen öffnete sich der Kanal der Giudecca, gleich einem friedlichen Hafen, in den die auf Flußstraßen hergereisten Lastschiffe mit der Ladung frischen, gespaltenen Holzes zugleich den Geist der Wälder zu tragen schienen, die sich über ferne Ströme neigten. Und von dem Molo, wo über dem Doppelwunder der der Volksgunst geöffneten Säulengänge das rot und weiße Mauerwerk aufragte, bestimmt, die Gesamtheit der herrschenden Gewalten einzuschließen, dehnte sich das Ufer in weicher Bogenlinie den schattigen Anlagen, den fruchtbaren Inseln zu, als wollte es den Gedanken, der durch die kühnen Symbole der Kunst erregt war, mittels der natürlichen Formen zur Ruhe geleiten. Und fast, als gelte es die Beschwörung des Herbstes zu begünstigen, glitt eine Reihe mit Früchten hochbeladener Barken vorüber, großen schwimmenden Körben vergleichbar, die den Duft der Obstgärten über die Wasser trugen, in denen sich das unveränderliche Blattwerk der Giebel und Kapitäle spiegelte.
    »Ist Ihnen, Perdita« – begann Stelio von neuem, indem er mit heller Freude auf die gelben Trauben und die lila Feigen blickte, die nicht ohne eine gewisse Harmonie vom Bug bis zum Steuer des Schiffes aufgespeichert lagen – »ist Ihnen eine höchst anmutige Eigentümlichkeit aus der Chronik der Dogengeschichte bekannt? Zur Bestreitung der Kosten für ihre Prunkgewänder genoß die Dogaressa einige Privilegien von dem Zoll der Früchte. Ist es nicht ein hübscher Einfall, Perdita? Die Früchte der Inseln kleideten sie mit goldenen Gewändern und gürteten sie mit Perlen. Pomona, die Arachne den Lohn reicht: eine Allegorie, die Veronese in das Deckengewölbe des Vestiario malen könnte. Ich freue mich, wenn ich mir die Dame auf den hohen diamantengeschmückten Schuhen vorstelle und dabei denke, daß sie etwas Herbes, Frisches zwischen den Falten ihres schweren Gewandes trägt: den Zins der Früchte. Welch frischen Duft erhält dadurch ihr Prunk! Nun, meine Freundin, stellen Sie sich vor, daß diese Trauben und diese Feigen des neuen Herbstes den Preis des güldenen Kleides zahlen, in das die tote Sommergöttin eingehüllt ist.«
    »Welch köstliche Phantasie, Stelio!« – sagte die Foscarina, die, sich in ihre Jugend zurückversetzend, verwundert lächelte, wie ein Kind, dem man ein Bilderbuch zeigt. –
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