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Feucht

Feucht

Titel: Feucht
Autoren: Sophie Andresky
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Mone küsste das Bild, was Gereon anscheinend überhaupt nicht wunderte, und ich beschloss, es einfach zu ignorieren und meine Erlebnisse in dem Haus als willkommene Abwechslung in meinem öden Peiner Leben zu sehen. «Ein bisschen Mystik», dachte ich mir, «hat noch niemandem geschadet, dann habe ich am Montag im Büro wenigstens etwas, woran ich denken kann.»
    Während des Essens gaben sich beide Mühe, so nett wie möglich zu sein, Mone erkundigte sich nach meinem Beruf, meinen Hobbys, ich erzählte von Barcelona und von der kleinen Firma, für die ich Telefonanlagen verkaufte, und dass ich eigentlich lieber etwas im kulturellen Bereich gemacht hätte. Gereon nannte mich «Liebste» und «Schöne» und Mone senkte dann den Blick und sah mich nicht an. Aber wenn sie ihm etwas reichte und sich ihre Hände kurz berührten, konnte ich fühlen, dass zwischen den beiden sehr viel mehr war als nur eine eheliche Zweckgemeinschaft, was genau allerdings, konnte ich nicht sagen. Es schwang etwas Tragisches mit, aber gleichzeitig plauderten beide so nett und interessiert mit mir, dass ich keinen Mut hatte, sie darauf anzusprechen. Außerdem fand ich, dass es mich nichts anging, obwohl ich langsam wirklich neugierig wurde. Während der ganzen Zeit liefen diese Kinderlieder im Hintergrund, manchmal hörte man eine Gitarrenbegleitung, manchmal eine Klavierstimme, aber meistens sangen die hohen Kinderstimmen von munteren Hasen und tiefen Wäldern. Als wir alle satt waren, ergriff ich die Gelegenheit und bot an, beim Abwasch zu helfen, um mit Mone alleine zu sprechen. Gereon wollte ein Telefonat führen und ging hinauf ins obere Stockwerk. Vorher nahm er mir aber noch das Versprechen ab, ihn nicht lange warten zu lassen, küsste das kleine Ölgemälde und hängte es zurück an die Wand.
    Mone und ich standen in der Küche, sie mit einer Spülbürste, ich mit einem Handtuch, und schwiegen uns an. Schließlich sagte sie: «Ich freue mich, dass Gereon so glücklich ist. Es ist schön, dass er Sie gefunden hat, manchmal ist es doch etwas einsam hier.» Ich zog eine Augenbraue hoch und sah sie fragend an. «Nein wirklich, genießen Sie Ihr Zusammensein, das ist doch nur natürlich.» «Aber lieben Sie ihn denn gar nicht?» Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen, wie man neben einem so gebildeten und kultivierten Mann, der ganz nebenbei auch noch ein guter Liebhaber war, einfach herleben konnte. Mone sah mich traurig an, ihr Mund zitterte etwas. Sie legte die Spülbürste beiseite, trocknete sich die Hände ab und sagte: «Ich hätte schon gerne eine Beziehung wie eine richtige Ehe mit Gereon. Aber es geht nicht. Wegen Viktor. Gereon hat mir den Verrat mit Viktor nie verziehen.» Ich versuchte, den Überblick zu behalten, psychologische Verstrickungen finde ich immer schwierig. Ich rate auch nicht besonders gut, deshalb fragte ich einfach: «Viktor?» Mone zeigte auf das Ölgemälde, zog traurig die Schultern hoch und drehte mir den Rücken zu, um weiterzuspülen. «Er war sehr jähzornig», sagte sie nur noch, «gewalttätig sogar, das hätte ich nie von ihm gedacht. Inzwischen ist er tot. Aber Gereon ...» Sie sprach nicht weiter, und ich hatte das Gefühl, ich sei in der Küche nicht mehr angebracht, und ging hinauf in den ersten Stock.
    Gereon saß im Bett auf dicke Kissen gestützt und las. Als ich die weiße, schwere Leinenbettwäsche sah und wie gemütlich es sich Gereon gemacht hatte, merkte ich, wie müde ich noch war, und legte mich eingewickelt in eine Decke neben ihn. Er war entspannt und offensichtlich gut gelaunt, kraulte meinen Kopf und wackelte ab und zu mit den Zehen, bevor er mir dann einen Vers vorlas, den er besonders schön fand. «Duhu», sagte ich und dehnte die eine Silbe lang wie ein Kind, dass sich vor dem nächsten Wort drücken will. « Jaha», dehnte er zurück und grinste. «Was ist das mit dir und Mone? Habt ihr denn gar nichts mehr miteinander?» Er wollte offensichtlich nicht darüber reden und sagte nur, sie würden nie miteinander schlafen, wenn ich das meine, früher schon, aber jetzt nicht mehr, und hart sagte er: «Das ist Mones Schuld. Es geht einfach nicht mehr.» Ich vermutete, dass Viktor eine Affäre von Mone gewesen war, vielleicht hatte Gereon die beiden ertappt und konnte ihr den Seitensprung nicht verzeihen. Wieso er dann aber wie Mone das Porträt küsste, war mir völlig unklar. Ich sah mir Gereons Profil an. Er war ein wirklich schöner Mann auf eine durchgeistigte Art. Vielleicht
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