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Fettnaepfchenfuehrer Italien

Fettnaepfchenfuehrer Italien

Titel: Fettnaepfchenfuehrer Italien
Autoren: Sandro Mattioli
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ließ ihn ganz vergessen, dass er Tania kaum kannte, vielleicht war es auch seine Freude darüber, es mit einer starken Frau zu tun zu haben.
    »Es reicht auf alle Fälle«, wich Tania aus.
    »Eine Freundin von mir bekommt in Deutschland für ihre Arbeit in der Werbeagentur 2.700 Euro brutto im Monat. Ist es hier mehr?«
    »Nein, es ist einiges weniger«, sagte Tania.
    »Hoffentlich zahlt Dich dann Trombetta gut, damit Ihr gut über die Runden kommt. Und immer schön in der Boutique einkaufen könnt, die Du mir empfohlen hast, Stefano!«
    »Es reicht, danke«, sagte Stefano.
    Die schwarz-weiß gekleidete Kellnerin brachte die Speisekarte.
    »Was ist denn eigentlich Pajata «, fragte Franziska in die Runde, als sie die Sektion mit den typisch römischen Gerichten las.
    »Das wirst Du nicht mögen«, antwortete Stefano. »Das ist Pasta mit dem Darm von Milchlämmern. Mit dem ungereinigten Darm.«
    Franziska verzog erwartungsgemäß angewidert das Gesicht.

    Die italienische Küche hält einige Gerichte bereit, die deutsche Mägen vermutlich in der Mehrheit der Fälle rumdrehen: Auf Sardinien gibt es Käse, in dem sich kleine, etwa ein Millimeter dicke Würmer eingenistet haben. In manchen Gegenden der Abruzzen sind die Würmer im Käse gar regenwurmgroß. In beiden Fällen werden sie logischerweise mitgegessen, sie lassen sich gar nicht vom Käse trennen. Die Pajata , die Pasta mit dem mit verdauter Milch gefüllten Darmschlauch, gilt inzwischen als Delikatesse, sie wird nur noch in wenigen römischen Lokalen angeboten. Früher war sie ein Armenessen, ähnlich wie Kutteln. Auch hier wurden Innereien, also an sich wenig wertvolle Teile von Tieren, verwertet.

    Was ist diesmal schief gelaufen?
    Paul Weiss hat sich von der angenehmen Atmosphäre in dem Lokal einwickeln lassen und dabei ein Gebot missachtet, das in Italien strenger als anderswo gehandhabt wird: Über Geld spricht man nicht. Jemandem nach seinem oder ihrem Verdienst zu fragen und dann auch noch zu insistieren, wird in Italien als sehr unhöflich empfunden.
    Es gibt einige Themen, die man in Gesprächen besser nicht anschneiden sollte, wenn man mit seinem Gegenüber nicht sehr vertraut ist. Dazu gehört neben dem Thema Geld vieles Privates – außer der Familie, über Kinder, Neffen, Großeltern etc., kann man immer sprechen – auch Frivoles und Absurdes. Über Sex redet man, selbst wenn das Gespräch auf einer abstrakten Ebene bleiben würde, nicht. Das geht nicht. Und gar nicht geht, konkret über Sex zu reden. Das klingt selbstverständlich. Doch wenn man sieht, mit welcher Inbrunst italienische Medien das Liebesleben von führenden Politikern analysieren, könnte man daraus schnell die falschen Schlüsse ziehen. Es wurde bereits gesagt und muss auch hier noch mal gesagt werden: Die italienische Gesellschaft ist – zumindest auf der Ebene des Formalen – prüde. Sind dagegen erst einmal die Schranken gefallen, ändert sich das schnell. Unter guten Freunden gibt es recht wenige Tabus. So wird zum Teil offen über Besuche bei Prostituierten oder über Seitensprünge gesprochen.
    Gut ist es, sämtliche Statussymbole zu thematisieren (Auto, Haus, Handy, Wohnung, Frau oder Mann – ja, auch die Partner gehören durchaus häufig in die Kategorie Statussymbol. Italiener und Italienerinnen lieben demonstratives Tun, und die Partnerwahl ist von diesem Einfluss keineswegs immer frei). Weitere passende Themen: Politik (gerne schimpfend und nicht allzu tief gehend), Kultur, Sport (gerne ausgiebig, kennerhaft und schimpfend).
    Grundsätzlich empfiehlt es sich aber, allzu intensive Unterhaltungen besser nur gleichgeschlechtlich zu führen. Das heißt so viel, wie dass es für Paul Weiss sicher empfehlenswert ist, sich nicht allzu lange und intensiv mit Tania, der Freundin von Stefano Lo Mele, zu unterhalten. Der könnte das falsch verstehen, als Anmache etwa, oder sich über mangelnde Aufmerksamkeit seiner Freundin beklagen. Der Möglichkeiten zum Ärger gibt es in so einem Fall viele, daher ist es besser, sie von vorneherein zu vermeiden.
    Was können Sie besser machen?
    Führen Sie sich einfach vor Augen, dass in Italien Paare stärker aufeinander fixiert sind als in Deutschland. So ist es dort nahezu unvorstellbar, dass ein Paar gemeinsam auf eine Party kommt, ein Partner aber früher als der andere geht, wenn er keine Lust mehr hat, noch weiter zu feiern. In Deutschland ist das durchaus nicht unüblich.

Wie Paul Weiss römisch bezahlt
    Auf einen Euro hin oder
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