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Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02

Titel: Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
Autoren: Die Nacht der Elfen
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entspannte sich wieder, erschöpft, die Augen tränenfeucht. Die Bandrui um sie herum mit ihren unsteten Blicken murmelten leise und scheu lächelnd ihre Beschwörungsformeln; sie waren ihr keine Hilfe. Einzig Blodeuwez hätte sie verstehen können, wenn sie nur mit ihr gesprochen hätte.
    »Denk an dein Baby«, hob die Heilerin in demselben sanften Ton wieder an. »Versuch es dir so vorzustellen, wie es in ein paar Minuten sein wird ... Glaubst du, es wird ein Junge?«
    »Nein«, erwiderte Lliane. »Es wird ein Mädchen ...«
    Das Lächeln ihrer Freundin gefror für einen kurzen Moment, so sehr hatte die ruhige Gewissheit der Königin sie aus der Fassung gebracht.
    »Ich habe es im Traum gesehen«, fuhr sie heftig atmend fort, während sie sich mit der Zunge über die ausgetrockneten Lippen fuhr. »Sie stand mitten in der Nacht im Wald und spielte Flöte, und strahlend helle Feen, leuchtend wie Glühwürmchen, bildeten einen Kreis um sie herum, um ihrem Spiel zu lauschen ... Sie war bereits groß, fast erwachsen. Sie hatte ...«
    Lliane lächelte ihre Freundin an.
    »Sie war blond, so wie du, und trug eine Krone aus Buchs im Haar ...«
    Eine neue Schmerzattacke, außerordentlich heftig und unvermittelt, entlockte der Gepeinigten einen gellenden Schrei. Lliane richtete sich halb auf, aber Blodeuwez drückte sie energisch zu Boden, um daraufhin ihre Finger, die weiß wie Meerschaum waren, auf ihr geschwollenes Geschlecht zu legen.
    Sie spürte, wie das Fleisch zuckte, sich spannte, und plötzlich auseinander wich und den Blick auf eine runde, glatte und schmierige Fläche freigab.
    »Da ist es’.«, rief sie aus. »Ich fühle es! Ich fühle es, Lliane! Press! Press ganz fest!«  
     Die Königin hörte sie nicht. Keuchend, gemartert von Schmerz, hatte sie den Eindruck, als werde sie bei lebendigem Leib gevierteilt. Die Druidinnen des Waldes hatten sich nun ganz dicht um sie herum versammelt, um ihr Gesicht mit frischem Wasser zu benetzen, ihren Bauch zu massieren und den Duili Fedha zu rezitieren, »Die Elemente des Waldes«, die altüberlieferte Magie der Bäume, die die Elfen als Ogam bezeichneten.

    Die Frucht der Früchte bin ich,
    Das Produkt aus neun Samen und Steinen:
    Denn Blaubeere, Pflaume, Brombeere, Quitte,
    Himbeere und Birne,
    Vogelbeere, Kirsche und Schlehe
     Sich in mir zu gleichen Teilen vereinen.

    Ailm, Pethbioc, Gort, Muin ... Tanne, Schilfrohr, Efeu und Wein: die Baumsymbole für Geburt, Leben, Stärke und Fruchtbarkeit. Die Bandrui zeichneten Ogam-Runen auf ihren Bauch, die das Unglück abwenden sollten, doch sie wechselten viel sagende Blicke, und das Lächeln war von ihren Lippen geschwunden.
    »Los, los, press! Komm schon, ich kann es fühlen!«
    Dasselbe Unbehagen bedrückte sie alle, ohne dass sie die Ursache hätten benennen können. Und sie sahen fasziniert zu, wie die nassen und blutverschmierten weißen Hände von Blodeuwez ein fratzenhaft verzogenes, bläuliches Gesicht aus dem zum Zerreißen gespannten Geschlecht der Königin herauszogen.
    Lliane stöhnte dumpf, und der kleine Körper schoss in einer wellenartigen Bewegung vollständig heraus, direkt auf die Knie der Heilerin. Als öffnete ihr die Entbindung die Augen, verspürte Blodeuwez nun ebenfalls die unerträgliche Beklemmung, die die Druidinnen dazu veranlasst hatte, Abstand zu halten.  
     »Es ist... Es ist tatsächlich ein Mädchen«, sagte sie mit brüchiger Stimme.
    Doch sie wagte nicht, Lliane anzusehen, als sie das Neugeborene betrachtete, das all den übrigen Kindern so ähnlich war, die sie mit auf die Welt gebracht hatte, und doch so anders als diese, und es gelang ihr nicht, sich wieder zu fassen. Blodeuwez weinte, ohne dass es ihr bewusst gewesen wäre. Gänzlich ermattet, sank sie auf das Lager aus Farnkraut hin.
    Die ersten Schreie des kleinen Wesens hallten unter dem Blätterdach wider, ohne dass sie es vermocht hätte zu reagieren. Die Königin war ohnmächtig geworden. Die Druidinnen hatten das Weite gesucht, und sie war alleine. Sie überwand ihr Unbehagen und betrachtete das Baby, das da auf Llianes immer noch dickem Bauch lag, zum ersten Mal genauer. Seine Haut, die Größe seiner Arme und Beine, die Form seines Schädels ... Das Kind war nicht normal. Ja, noch schlimmer, von ihm ging etwas Beklemmendes aus, gleich einer körperlich intensiv spürbaren Schwingung; eine beinahe unerträgliche Schwingung. Langsam richtete sie sich auf und stützte sich auf einen Arm, dann kroch sie zu ihr hinüber ...
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