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Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02

Titel: Fetjaine, Jean-Louis - Die Elfen 02
Autoren: Die Nacht der Elfen
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Absolute Stille hatte sich über die Lichtung gebreitet. Selbst die Vögel und der Wind waren verstummt, als hätten die winzigen Tränen des Neugeborenen sie zu Stein erstarren lassen. Sie war alleine. Lliane war noch immer bewusstlos. Niemand würde etwas erfahren ... Es genügte, nichts zu tun. Sie liegen zu lassen ...
    »Fort mit dir.«
    Die Heilerin zuckte zusammen, überrollt von einer Woge der Panik.
    Myrrdin.
    Der Kindmann.
    Er würdigte sie nicht eines Blickes, sondern war ganz auf die Handgriffe der ersten Hilfe konzentriert, jene, die sie selbst hätte durchführen müssen: Er durchtrennte die Nabelschnur, befreite den Mund des Babys von dem Schleim, der ihm die Luft zum Atmen nahm, und wickelte es behutsam in seinen Mantel ein, um es zu wärmen. Dann beugte er sich über Llianes Bauch, den er mit großem Eifer massierte, bis sie mit einer letzten Wehe die Plazenta ausstieß. Blodeuwez robbte auf dem Rücken fort, die Augen weit aufgerissen in einer Mischung aus Grauen und Empörung. Wie konnte er sich an diesen Ort wagen, in das Herz des Waldes von Eliande, auf diese verbotene Lichtung, der Verfemte, der durch und durch unlautere Druide, weder Elf noch Mensch? Wie konnte er es wagen, die Königin zu berühren?
    Lliane war wieder zu sich gekommen und sah zu, ohne zu reagieren, zu erschöpft, als dass sie versucht hätte, ihre Blöße zu bedecken. Myrrdin hatte sich wieder erhoben, das Neugeborene in den Armen; er stand da so schmal in seinem langen blauen Gewand, dass er groß wirkte, lächelnd, als sei er der Vater, mit jenem trotz seiner kurzen grauen Haare jugendlichen Gesicht, und drückte das Kind zärtlich an seine Brust.
    »Morgane ... Hab keine Angst, ich bin da. Ich werde mich um dich kümmern ...«
    »Sie gehört dir nicht!«
    Der Kindmann drehte sich friedfertig um und hörte nicht auf zu lächeln. Lliane richtete sich mühsam auf, sie war so schwach, dass sie der nächsten Ohnmacht nahe schien, aber aus ihren funkelnden hellgrünen, fast ins Gelbliche spielenden Augen war eine ungebrochene Stärke zu lesen.
    »Aber sicher doch«, murmelte Myrrdin. »Im Übrigen ist die Zeit noch nicht reif.«
    Er hielt ihr das Kind hin, das aufgehört hatte zu weinen, dann entfernte er sich, mit ebenjenem unerträglichen Lächeln. Lliane presste ihre kleine Tochter eng an sich, sie war so schön und so wild trotz der Tränen und trotz des Blutes. Als sie sie zum ersten Mal selbst ansah, sie, die Mutter, empfand sie ein Gefühl der Angst, das ihr schier das Herz zerriss. Dieser rosige Teint, diese runden Bäckchen, diese drallen kleinen Arme ... Das war keine Elfe. Aber auch kein Menschenmädchen.
    »Unter Umständen wirst du dich niemals daran gewöhnen«, murmelte Myrrdin. »Meine eigene Mutter konnte sich nie mit meinem Anblick anfreunden ...«
    Lliane blickte ihn derart hasserfüllt an, dass er die Fassung verlor.
    »Ich gehe«, stotterte er. »Möchtest du, dass ich Uther Bescheid gebe?«
    »Ich möchte, dass du für immer verschwindest«, schrie Lliane.
    »Ich werde da sein, wenn du mich brauchst.«
    Und er ging mit ruhigen Schritten davon, aber doch so rasch, dass er fort war, noch ehe Blodeuwez Zeit hatte, sich zu der Königin und ihrem Kind zu begeben.
    »Wie lautet dieser Name, den er ihr gegeben hat?«, fragte sie.
    Lliane trocknete sich die Tränen, warf ihr langes schwarzes, schweißnasses Haar nach hinten und musterte die Heilerin ernst.
    »Myrrdin ist nie da gewesen. Er existiert nicht. Es ist nur ein Wesen aus einem Traum, der schon in deinem Gedächtnis gelöscht wird. Hael hlystan ansyn aefre geswicanl«
    Blodeuwez schwankte, von einem Schwindel ergriffen, und die Erinnerung an den Kindmann wich für immer aus ihrem Geist. Einen Augenblick zögerte sie, blinzelte dann, als sei sie gerade erwacht, lächelte ihre Freundin an und hockte sich neben sie. Das Baby war während des Stillens eingeschlafen, ganz ruhig ... Das kaum zu ertragende Gefühl der Beklemmung, das sie bei seiner Geburt empfunden hatte, war schwächer geworden, und jetzt vermochte sie dem Kind ins Gesicht zu sehen.
    »Du hast dich getäuscht in deinem Traum«, sagte sie. »Sie ist gar nicht blond ...«
    Lliane lächelte, hielt den kleinen, runden Kopf ihrer Tochter ein Stück von sich weg und betrachte den braunen Flaum, der ihn bedeckte. Man hätte meinen können, es handle sich um einen Spatz, der in einen Tümpel gefallen sei...  
     »Sie sieht dir ähnlich«, fuhr Blodeuwez fort. »Und doch ... Sie ist keine Elfe. Nicht
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