Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte
Autoren: Gaetano Cappelli
Vom Netzwerk:
ein Haar erfroren. Und jetzt, da ich dich endlich wiedergefunden habe, Cybill, da weist du mich zurück.« Ich legte eine kleine Pause ein und seufzte. »Nein, dann wäre ich besser gestorben«, endete ich zu meiner vollsten Zufriedenheit. Dem armen Cargallo sei Dank - sie hatten ihn wirklich genau an der richtigen Stelle zersägt, da gab es nichts einzuwenden -, war es mir gelungen, das ansonsten unerklärliche Verhalten von Onkel Richard zu begründen, und jetzt passte alles zusammen. Deshalb sah ich Cybill mit der unschuldigsten und hilflosesten Miene der Welt an und bereitete mich darauf vor, von ihr in die Arme geschlossen zu werden. Welche Frau würde angesichts einer solchen Geschichte nicht in Tränen ausbrechen?
    Cybill war diese Frau. Sie legte die Hände in die Hüften und sagte: »Schon gut, ich glaube dir, Carlino« - und ich war inzwischen nicht nur im Vorhof zum siebten Himmel, sondern ganz in ihrer Nähe angelangt und wollte sie gerade küssen -, als sie ungerührt wie ein Automat hinzufügte: »Aber was passiert ist, hat mir die Augen geöffnet. Vielleicht bist du nicht wie die anderen Männer, aber du bist ein Mann, und die Männer sind die Leidenschaft, und die Leidenschaft macht uns zu Sklaven, und Whiteagle sagt, dass man sich von den Leidenschaften fernhalten muss.«
    ›Warum kümmert dieser Kerl sich nicht um seinen eigenen Dreck?‹, dachte ich, während ich aus meiner Wolke auf den Boden der Tatsachen stürzte, auch wenn ich, um ihr nicht zu widersprechen, philosophisch antwortete: »Cybill, aber hier spielt die maya , spielen die Leidenschaften gar keine Rolle. Wenn uns das Schicksal unbedingt und auf jede Art und Weise hatte trennen wollen und du mich weiter so liebst, wie ich dich liebe, was kann es dann Reineres und Schöneres und Spirituelleres geben?«

    Zum ersten Mal war sie verunsichert. Ich merkte es am rechten Augenlid, das über ihrem ansonsten starren Blick zuckte - dieser Blick machte mich verrückt. Ich hätte alles darum gegeben, sie wiederzubekommen, und drückte fest ihren Arm. Ein bisschen zu fest. Sie verzog die Lippen, öffnete sie, und heraus kam: »Ich muss mit dem Meister sprechen … Ich traue es mir nicht zu, allein zu entscheiden. Ich bin verwirrt, Carlino.«
    Sie war nicht nur verwirrt, sondern bildschön und milliardenschwer. Warum sollte sich ein Meister von diesem Kaliber eine solche Frau durch die Lappen gehen lassen? Dennoch gestand ich ihr blutenden Herzens zu: »Wenn es das ist, was du willst, dann geh zu ihm.«
    »Er ist gerade fort.«
    »Und wann kommt er zurück?«
    »Morgen, in einer Woche, in einem Monat. Niemand kann das sagen.«
    »In Ordnung. Das heißt, dass wir auf ihn warten«, antwortete ich erleichtert. Cybill war trotz ihres asketischen Getues eine Frau fürs Bett, und nach der ersten gemeinsamen Nacht würde ich sie schon umstimmen - ich würde es zumindest versuchen.
    »Nein, das ist nicht möglich. Du hast dich nicht der Initiation unterzogen.«
    »Keine Sorge. Ich kann zahlen«, erwiderte ich und hatte dabei Kenneth im Hinterkopf. Aber das war ein Fehler.
    Sie durchbohrte mich mit einem Blick und herrschte mich an: »Das ist keine Frage des Geldes. Um in den Aschram aufgenommen zu werden, brauchst du die Zustimmung von Whiteagle.«
    »Schon gut, schon gut. Aber wo bleibe ich so lange?«, fragte ich und appellierte an ihr Mitgefühl.
    »Bei Little Bear, dem Fährmann«, antwortete sie ungerührt.
    »Und wie erfährt man, dass der Meister zurückkommt?«
    »Du siehst ihn am Himmel.«
    »Ach, er erhebt sich in die Lüfte, wie die Heiligen?«, fragte ich noch bissiger.

    »Das auch, aber für gewöhnliche Reisen hat er einen Hubschrauber.« Er war es also gewesen, der an jenem Morgen über den Wald geflogen war!
    Trotz ihrer Gleichgültigkeit - immerhin hatte ich mein Leben aufs Spiel gesetzt, um sie wiederzusehen - konnte ich sie nicht hassen. Dann jedoch ging sie zu einer Kommode, öffnete sie und holte einen Stoß Blätter heraus. »Das hier hat mir dein Onkel geschickt«, sagte sie.
    Es war mein Roman. Gott sei Dank war er nicht verloren gegangen, und ich stieß einen zweiten Seufzer aus, als ich merkte, dass sie ihn nicht gelesen hatte - ich hätte sie sonst zweifellos für immer verloren. Die Geschichte mit Jennifer würde sie mir niemals verzeihen, und das war ja genau das, was dieses Ekel von Onkel Richard beabsichtigt hatte. Als sie mir allerdings zornig erklärte: »Ich habe ihn nach nicht einmal dreißig Seiten hingeschmissen«, da
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher