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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte
Autoren: Gaetano Cappelli
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Queens, mit mir verabredet. Sie machte ein großes Geheimnis um unser eigentliches Ziel, doch als wir nach ein paar Häuserblöcken um die Ecke bogen und ich mich vor dem niedrigen weißen Haus wiederfand, stürzte ich erneut in Verzweiflung und murmelte: »Wohin bringst du mich bloß?«
    »Wir haben alles versucht, jetzt kannst du das auch noch ausprobieren. Außerdem ist er der Beste von ganz New York. Man muss schon zugeben, dass es Dinge gibt, die wir Italiener einfach besser können.«
    »Was, du bist auch …?«
    »Meine Eltern, um genau zu sein: Ich denke, das ist der andere Grund, weshalb Gemma sich für mich entschieden hat … diese dumme Kuh.«
    Er hatte mich nur ein einziges Mal gesehen, und seither waren ein paar Jahre ins Land gegangen, aber sobald ich eingetreten war, erkannte mich der Romita de la Muntagna sofort wieder. Er blies mir den Rauch seiner Cohiba ins Gesicht und verkündete oberlehrerhaft: »Du hast Richard sehr wehgetan, sehr weh.«
    »Er mir noch mehr, und er hätte mich beinahe umgebracht.«

    »Willst du wieder mit ihm zusammenkommen? Das wird schwierig, ich warne dich.«
    »Nein, meine Schulden bei ihm habe ich bezahlt, das reicht. Ich komme wegen einer anderen Sache.« Ich erzählte es ihm. Als ich fertig war, stemmte ich die Ellenbogen auf die Kniebank, stützte das Kinn auf die Fäuste und sah ihn herausfordernd an. Dieser Scherz würde mich vierhundert Dollar kosten - vorausgesetzt, es hatte inzwischen keine Honorarerhöhung gegeben -, aber beim ersten Scheiß, den er daherredete, würde ich ihm ins Gesicht lachen. Diese Genugtuung wollte ich mir gönnen, schon als Affront gegen Onkel Richard.
    Der Romita hielt meinem Blick stand und stieß eine bläuliche Rauchspirale aus. Immer noch in provokanter Laune, spaltete ich sie mit einer ungeduldigen Handbewegung.
    »Du bist also gekommen, um herauszufinden, wo sich dieser Whiteagle Spencer aufhält?«, fragte er.
    »Jawohl«, sagte ich und wiegte geringschätzig den Kopf hin und her.
    »Wo er sich in diesem Moment aufhält?«, präzisierte er scheinheilig.
    Er brachte mich wirklich auf die Palme. »Das dürfte doch wohl klar sein, oder?«, antwortete ich noch spitzer.
    Dieses Mal durchlöcherte er kein Blatt mit der Spitze seiner Zigarre und las auch keine Zahlen vor, sondern sagte wie aus der Pistole geschossen: »Er befindet sich in Chakawaka Rise, am Bärensee, dreihundert Meilen von Quebec City entfernt … jedenfalls bis zum 30. März, dann zieht er weiter.«
    Ich war baff. Er hatte mir nicht nur eines seiner idiotischen Rätselspielchen erspart, die er sich mit einem Haufen Geld bezahlen ließ, sondern seine Worte bestätigten voll und ganz, was Kenneth gesagt hatte. Es war klar, dass er genau wusste, wovon er sprach. Ich sprang auf, um ihn zu umarmen. »Romita, du bist ein großer Magier. Ich habe dich falsch eingeschätzt. Bitte, verzeih mir«, rief ich zerknirscht.

    Er hielt mich mit einer Hand auf Abstand, schob sich die Wayfarer auf die Stirn, legte ein weißes, irisloses Auge von der Konsistenz einer fauligen Auster bloß und sagte dann auf Italienisch beziehungsweise in einer Abart des Italienischen: »Was heißt hier Magie?’Nen Dreck hat das mit Magie zu tun.« Er zog eine Schublade in der Kniebank auf und holte einen völlig zerknitterten Brief heraus. »Das hier hat mir neulich’n Kunde von mir geschickt, ein ehemaliger Kunde von mir … Dieser Scheißkerl von Uaidegol wirbt mir alle meine Kunden ab, und wenn ich ihm’nen Tritt in den Arsch geben könnte, wär mir das’n Vergnügen. Jetzt geh nur und dank der Madonna, die dich hergeschickt hat.« Sobald ich draußen war, lief mir Veronica entgegen. »Und?«, fragte sie hoffnungsfroh.
    »Ich weiß jetzt, wo er ist«, antwortete ich. Dann fügte ich mit einem Lächeln hinzu: »Und ich soll dir danken … Madonna .« Ha, da war sie endlich, die Idee!

    Als ich zwei Tage später ein Flugzeug mit dem Ziel Quebec City bestieg, bildete ich mir gewiss nicht ein, einen der größten Mythen unserer Epoche begründet zu haben, und ich war dermaßen glücklich, Cybill bald wieder in die Arme schließen zu können, dass es mir, selbst wenn ich es gewusst hätte, nicht wichtig gewesen wäre.
    Ich hatte meine Abreise in großer Heimlichkeit vorbereitet und gut darauf geachtet, dass nichts über meinen Gemütszustand zu Gemma durchsickerte. In solchen Fällen muss man sich schon vor der Reaktion einer normalen Frau fürchten, wie sehr dann erst vor der einer Psychopathin! Dennoch
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