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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich
Autoren: Paul Keller
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und verkündete:
    »Edles Gefolge des Königs und der Frau Königin! Ich als Kanzellarius Seiner Majestät König Stefensons des Ganzgroßen und Hochdero majestätischer Gemahlin Hanne der Einzigen verkünde, damit es männiglich erfahre, feierlich, öffentlich und unwiderruflich folgendes:
    Wir Stefenson der Ganzgroße und Höchstmeine erlauchte Gemahlin Hanne wollen, daß dieser glückliche Tag ein Andenken hinterlasse. Darum machen wir für Waltershurg eine Stiftung von hunderttausend Mark mit der Bestimmung, daß alljährlich ein Drittel der Stiftungszinsen alten bedürftigen Eheleuten, ein zweites Drittel den Waltersburger Schulkindern zugute komme; das dritte und letzte Drittel aber ist zu Hochzeitsgeschenken für die in jedem Jahre Heiratenden bestimmt, von welcher Stiftung sich keines, auch nicht das wohlhabendste Brautpaar ausschließen soll, auch wenn es nur ein Blumensträußchen annimmt; den ärmeren aber soll ein guter Happen für den Nestbau gegeben werden.«
    Eine brausende Welle des Beifalls donnerte durch den Saal. Ich sah verwundert auf Stefenson und flüsterte ihm zu: »Wissen Sie etwas von dieser Stiftung?«
    »Kein Wort! Der Kerl verschenkt mein Vermögen.«
    Mir wurde doch etwas schwül. Oh, dieser Methusalem - dieser Regisseur!
    Methusalem fuhr fort:
    »Stefenson fragt nicht nach Ehre und Ruhm, nicht nach Beifall und Dank. Nur Liebe und Vertrauen will er. Auf diesem goldenen Untergründe will er mit euch leben und schaffen für das Gedeihen seiner Gründung, für den Ruhm Waltersburgs, für das Heil der Menschheit. Nun wißt ihr vielleicht alle, daß unter den vielen Geplagten, die in der harten Schule des Lebens müde und krank geworden, hier in dieses schöne Tal kommen, um Ferien zu machen, einer daherhumpelte, von langer, langer Reise, auf der er Arbeit und Mühe in erträglichem Maße, Verkennung und Not in Überfülle, echtes Glück und wahre Freude aber wenig fand. Dieses Mannes Leben war lang, er war Methusalem. Hier in Waltersburg aber fand Methusalem Freude und Friede. Methusalem ist der Leiter dieses Festes, Methusalem ist aller Weltweisheit und Welterfahrung voll, darum soll auch die Stiftung, die Stefenson heute macht, nicht Stefenson-Stiftung, sondern Methusalem-Stiftung heißen.«
    Das Volk staunte.
    »Auch das noch!« sagte Stefenson neben mir.
    »Ja, es ist frech; außer den fünftausend Mark, die Methusalem neulich für Susannes Bild erhielt, hat er sicher nicht einen roten Heller. Und macht eine Methusalem-Stiftung von hunderttausend Mark!«
    Da erhob sich Stefenson zur Rede. Tiefe Stille. »Meine lieben Waltersburger, von allem, was Methusalem an meiner Statt hier gesagt hat, muß ich nur einem widersprechen, das betrifft die Stiftung.«
    Bestürzung. Schweigen.
    »Methusalem, mein bevollmächtigter Hochzeitskanzler, hat sich in einem Irrtum befunden, den ich berichtige. Die Stiftungssumme beträgt nämlich nicht hunderttausend Mark, sondern dreihunderttausend Mark!«
    Erst Stille. Dann knallartig losbrechender, rasender Tumult. Die Braut stand auf, der Bräutigam sprach auf sie ein, während die Leute lärmten; die Augen der glückseligen Braut glänzten, sie schmiegte sich fest an den Arm des starken Mannes. Methusalem stand mit eigentümlichem, fast weinerlichem Lächeln daneben. Stefenson verschaffte sich wieder Gehör.
    »Bürger von Waltersburg! Nur die Stiftungssumme hatte ich zu berichtigen, alles andere bleibt, wie es der weise Methusalem angeordnet hat, die Verteilung der Zinsen wie auch der Name: Methusalem-Stiftung.«
    Da fing der Methusalem, durchtriebene Methusalem, der aussah, als sei er fünfunddreißig Jahre, und doch nach seiner eigenen Angabe neunhundertneunundneunzig war, an richtig zu heulen. Und zwar nicht so wie ein tausendjähriger Mummelgreis, sondern wie ein Mann der Dreißiger gelegentlich mal heult.
    Nach meiner Mutter Haus hatte Methusalem, der Leiter des Festes, die Koffer des Brautpaares schaffen lassen. Dort kleidete sich das Paar, als sich der Trubel verlaufen hatte, zur
    Reise an. Dann fuhren sie noch heute mit dem Nachtzuge davon.
    Wir waren in der Wohnstube der Mutter. Ein paar nahestehende Freunde waren da.
    Zum Abschiede sagte Stefenson zu mir:
    »Es gibt kein besseres Band, das Freundschaft bindet, als das gemeinsame Schaffen an einem erfolgreichen Werke. So werden wir zwei immer gute Freunde sein. Wir wollen >Du< zueinander sagen wie Brüder!«
    Ich schlug in die dargereichte Hand.
    »Wann kommst du wieder?«
    »Ich weiß es noch
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