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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich
Autoren: Paul Keller
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glührote Wangen. Sie trat auf den wie angewurzelt dastehenden, staunenden Stefenson zu, reichte ihm die Hand und sagte mit warmem Ton in der Stimme:
    »Mein Lieber, Sie werden mir wegen dieser Komödie nicht zürnen. Eine kleine Strafe wenigstens hatten Sie für Ihre Ignaz-Maskerade doch wohl verdient.«
    »Ich verstehe nichts - nichts von allem«, stammelte Stefenson.
    Da griff ich ein.
    »Also, lieber alter Fuchs, ich will Ihnen kurz erklären, was jetzt Ihr in eine Wolfsgrube gefallener Verstand doch nicht von selber findet! Die Sibylle, die Sie befragt haben, war niemand anders als Fräulein Eva selbst.«
    »Oh - oh - und die wirkliche Sibylle?«
    »Sitzt in der Dachkammer und hat uns gegen Gold und gute Worte ihr Amtslokal mal vorübergehend überlassen. Ist das nicht gut?«
    Er sagte nicht, daß das »gut« sei. Ganz förmlich wandte er sich an Eva.
    »Mein gnädiges Fräulein, es ist ja recht, recht liebenswürdig, daß Sie mit mir zu scherzen belieben; aber ich darf wohl einigermaßen erstaunt sein, da ich erst heute morgen in der Zeitung -«
    Ich griff wieder ein.
    »Die >Neustädter Umschau< war die zweite Wolfsgrube, in die Sie glitten, verehrter Fuchs, oder vielmehr die erste. Denn die Notiz habe ich geschrieben, habe sie in die >Umschau< lanciert, aber nicht etwa in die ganze Auflage, sondern nur in die beiden Exemplare, die bei Ihnen und bei mir abgegeben werden. Da ist eben für diese zwei Nummern im Satzspiegel eine kleine Änderung gemacht worden.«
    »So ist wohl alles gar nicht wahr?«
    »Nein, es ist nicht wahr«, sagte Eva und wurde in dem Maße röter, als Stefenson bleicher wurde. Ich fürchtete mit einem Male, der Scherz könne noch schief ausgehen, und sagte deshalb: »Nanu, Stefenson, spielen Sie, bitte, nicht die gekränkte Unschuld. Da wären Sie gerade der Rechte dazu. Was haben Sie uns genarrt! Mit der Ignaz-Geschichte und mit Ihren Umschau-Artikeln, auch als Journalist Brown. Ihr Sündenregister ist in dieser Hinsicht so groß, daß unsere kleine List eine äußerst gelinde Strafe ist.«
    »Und - und der Graf Simmern - und der herzogliche Kammerherr?«
    »Himmel, Stefenson, sind Sie heut schwer von Begriffen, diese Simmerns existieren doch gar nicht.«
    »Ah - so ist das gewesen? Die Anzeige war gefälscht, und die Wahrsagerin waren Sie selbst. - Es - es ist ja sehr witzig. Gnädiges Fräulein, Sie haben die alte Sibylle ausgezeichnet gemimt. Ich glaube, Sie sind eine große Schauspielerin.«
    Es war mir, als ob in Evas Augen eine geheime Angst träte. Ich sagte:
    »Na, sehen Sie, ob nun ein Mister Stefenson in den Ferien vom Ich in die Tracht eines Bauernknechtes kriecht oder ob eine Opernsängerin mal in das Habit einer Wahrsagerin schlüpft, bleibt sich ganz gleich. Das ist doch selbstverständlich.«
    Seine Augen irrten umher.
    »Ich fürchte, die wirkliche Sibylle wird sich in der Bodenkammer erkälten. Man sollte sie jetzt herunterrufen.«
    Die Stimmung wurde frostig. Ich sah, daß Evas rote Wangen verblichen. In diesem Augenblick humpelte die wirkliche Sibylle ins Zimmer. Sie lachte albern und blinzelte verlangend mit den Augen.
    »Na, Sibylle«, sagte Stefenson, »Sie werden ja von den Herrschaften schon bezahlt sein; da haben Sie auch von mir noch ein Trinkgeld.«
    Er legte ein Fünfzigpfennigstück auf den Tisch. Die Alte fauchte unzufrieden; mir ging die Laune aus. »Gehen wir hinaus!« sagte ich. Ich half Eva den Mantel umlegen und fühlte, wie das Mädchen erregt war. Schweigend stiegen wir den Weg hinauf. Ich hatte einen mächtigen Groll auf Stefenson. Er selber hänselte alle Welt, aber einen Scherz gegen seine eigene hohe Person vertrug er nicht. Da hatte mir nun in all den Wochen die schöne Eva brieflich ihren Liebeskummer geklagt, ich hatte ihr langsam den Zorn gegen Stefenson, den sie der Ignaz-Maskerade wegen hegte, ausgeredet, sie hatte endlich den Brief mit der Stelle von Jakob, der um Rahel dient, erhalten, war, dadurch gerührt, heimlich in Waltersburg angekommen und hatte sich in der Wohnung ihres Vaters, unseres jetzigen Baurats, versteckt. Liebesselig und voller Sehnsucht. Ich, der das Mädchen selbst geliebt hatte, war mit mir fertig geworden, guter Laune zu sein und ihr zu einem unschuldigen Racheplan gegen den Geliebten zu helfen. Nun scheiterte alles am Hochmut dieses Hausnarren.

    Wir waren kurz vor dem Grundhof, da blieb Stefenson plötzlich stehen und fing unbändig an zu lachen. Es war schon gar kein Lachen mehr, es war ein Kollern.
    »Also«, sagte
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