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Ferien mit Patricia

Ferien mit Patricia

Titel: Ferien mit Patricia
Autoren: Paul Gallico
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fahren und im Bett zu liegen, so lange sie wollte, ja, wohin sie überhaupt fahren sollte. Sie hatte eine Tante, die in Norfolk wohnte und außerhalb des Bereichs der fliegenden Bomben war. Aber es fiel ihr plötzlich ein, daß diese Tante nicht gerade sehr glücklich verheiratet war, was nicht zur Gemütlichkeit ihres Heims beitrug. Mehr als nach allem andern hungerte Pat nach Wärme und ein bißchen Zärtlichkeit und nach ein paar Bequemlichkeiten, die sie schon so lange entbehren mußte.
    Jerry beobachtete Pat und fand, sie sah wunderbar sauber und frisch aus, wirkte geschlechtslos und doch erregend mit ihren leicht angemalten Lippen. Vermutlich besaß sie noch einen Stummel eines gehamsterten Lippenstifts und benutzte ihn nur, wenn sie abends tanzen ging.
    Jetzt, da er wieder mit ihr zusammensaß, wurde er gewahr, daß sie so etwas wie ein Schleier der Unschuld umgab, der die Gedanken des gestrigen Abends mit einem Male zunichte machte. Gewiß, sie war nur ein kleiner Niemand, ein Mädchen, das er zufällig während des Krieges einmal getroffen hatte und das ihm nun half, die Zeit zu vertreiben. Und doch war sie ein Mensch voller Würde und mit einem ihm verschlossenen Innenleben, das nur ihr gehörte und zugleich als Schranke zwischen ihm und seinen Wünschen stand.
    Major Harrison tanzte mit einer großen, rothaarigen Schönheit im Arm vorüber. Statt sie an der Hüfte zu halten, hatte er seine Hand um ihren Nacken gelegt. Es sah aus, als ob er sie liebkoste, und sie blickte mit halb geschlossenen Augen und in einer Art faszinierter Ekstase zu ihm auf. Über ihre Schulter hinweg winkte er Jerry zu, gleichsam als ob er sagen wollte: »Sieh doch, da ist gar nichts dabei!«
    In diesem Augenblick hätte Jerry alles hingegeben, was er besaß oder einmal zu besitzen hoffte, um zu sein wie Lester Harrison, um sich selbst zu entfliehen und ein Mann zu sein. Und doch war er sich niemals mehr der Kluft bewußt, die zwischen ihm und dem soviel älteren Lester bestand.
    Er trank seinen halben Whisky in einem Zug aus und knallte das Glas mit einem Seufzer auf den Tisch, was Pat aus ihren Träumen aufschreckte.
    »An was denkst du denn?« fragte er.
    »Ich grüble über etwas nach. Vom nächsten Montag an werde ich zehn Tage Urlaub haben. Ich habe ihn mir so sehnlichst herbeigewünscht, aber jetzt, da sie ihn mir gewährt haben, fürchte ich mich beinahe davor.« Und mit einem Blick von herausfordernder Bestimmtheit fügte sie hinzu: »Endgültig sicher ist nur, daß ich nicht zu meiner Tante nach Norfolk fahren werde.«
    Ihre plötzliche Heftigkeit überraschte sie selber, und sie fuhr fort: »Ach, ich wollte es eigentlich nicht so kraß ausdrücken, aber ich habe mich nun einmal entschlossen. Sie ist eine enttäuschte Frau, die immer mit ihrem Manne streitet.«
    Jerry erwiderte:
    »Eben habe auch ich einen Urlaub erhalten. Der Fliegerarzt hat mich untersucht.«
    Pat entfuhr ein kleiner Schrei. »O Jerry«, sagte sie und legte ganz unabsichtlich ihre Hand auf seinen Arm, »es ist doch nichts Ernstes? Du bist doch nicht etwa krank?«
    Jerry grinste und erwiderte: »Aber gewiß! Schau doch recht hin! Ich bin ein Nervenwrack.« Und er ergriff sein Glas, wobei seine Hand zu zittern schien.
    Pat lächelte erleichtert und sagte: »Ja, das ist wirklich dumm.« Aber ihre Augen blieben auf ihm haften, verdunkelt von einem kleinen Schatten der Unruhe. Jerry fühlte die Wärme und die Teilnahme und die freundschaftliche Sympathie, die sie ausströmte. Und plötzlich entsprang dem übermächtigen Wunsch, die kommenden Tage gemeinsam mit ihr zu verbringen, der Entschluß, das auszusprechen, was ihn so sehr beschäftigte. Es war weniger der Gedanke an ein romantisches Abenteuer, als die Sehnsucht, mit ihr zusammen zu sein, was ihn nun zum Sprechen bewegte.
    Er wandte sich ihr zu und sagte ernst: »Pat...«
    »Ja, Jerry?«
    »Findest du nicht auch... ich meine, ist es nicht lustig, daß wir beide zur gleichen Zeit Urlaub haben?«
    Pats Augen ruhten fragend auf ihm. »Ja, gewiß. Ich habe noch gar nicht darüber nachgedacht.«
    Aber ganz plötzlich überfiel auch sie der Gedanke, und sie senkte den Blick. Eine solche Unruhe erfüllte sie, daß sie ihn nicht mehr anzuschauen wagte, da sie ihn ja doch so liebte...
    Er fuhr fort, etwas täppisch und doch von seiner Aufrichtigkeit mitgerissen: »Man könnte fast sagen, daß da ein glücklicher Zufall mitgespielt hat. Du weißt nicht, wo du deinen Urlaub verbringen sollst, und ich werde
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