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Ferien mit Patricia

Ferien mit Patricia

Titel: Ferien mit Patricia
Autoren: Paul Gallico
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Fliegerarzt nach einer gründlichen Untersuchung einen zweiwöchigen Erholungsurlaub verschrieben mit der Weisung, nach Nord-Schottland zu fahren, und nun fühlte er das dringende Bedürfnis nach einer leiblichen Stärkung.
    Der langgestreckte, scheunenähnliche Raum mit seinen vielen Tischen und Stühlen an der großen Theke, die eine ganze Seitenwand einnahm, begann sich allmählich mit Fliegeroffizieren zu füllen. Worte schwirrten umher, Gelächter stieg auf, und die Spielautomaten ließen ihr Geklingel und Tamtam hören, das nur ab und zu von einem erregten Schrei: »Du Sohn einer... beinahe ein Treffer« unterbrochen wurde.
    Aus dem Raum nebenan hörte man das Aufschlagen der Ping-pong-Bälle. Von den Spieltischen schallten Rufe herüber. Doch all dieses bunte Hin und Fier verstärkte in Jerry nur noch das Gefühl des Einsamseins. Wieder traf sein Blick das schon unzählige Male betrachtete Plakat hinter der Theke: eine in Silber gemalte, herabhängende Hundert-Pfund-Bombe, unter der zu lesen stand: »Siehst du zwei von diesen, droßle das Gas, siehst du vier, verzieh dich so schnell wie möglich, siehst du aber einen ganzen Haufen, dann, Bruder, ist’s aus, mach dich auf einen Graben gefaßt.« Jerry zündete sich eine Zigarette an und dachte: »Dies wenigstens ist etwas. Wenn ich hier weg soll, schnappe ich über.«
    Major Lester Harrison, Jerrys Abgott und Führer seiner Staffel, steckte einen Schilling nach dem andern in den Geldautomaten, der in der Nähe der Tür stand. Seine Mütze hatte er ganz nach hinten geschoben. Wie durch ein Wunder hing sie noch dort, offenbar festgehalten durch ein Büschel seines blonden Haares. Sein hübsches Gesicht verriet, wie sehr er sich auf das Spiel konzentrierte. Er war hochgewachsen, hatte ein eckiges Kinn, tiefliegende, blasse Fliegeraugen und ein helles, kurzgeschnittenes Schnurrbärtchen. Jerry hatte bis dahin nicht gewagt, sich auch ein solches wachsen zu lassen, während er in allem übrigen den Major nachzuahmen suchte.
    Jerry war dreiundzwanzig Jahre alt, schmuck, schlank und gesund an allen Gliedern wie ein junges Pferd aus guter Zucht. Er hatte glänzendes schwarzes Haar, makellos weiße Zähne und frei in die Welt blickende blaue Augen unter dichten Brauen. Sein gestählter Athletenkörper unter dem untadeligen Waffenrock war in bester Verfassung. Er wünschte sich, älter zu sein, und versuchte darum, sich so zu geben, als sei er schon ein reifer Mann.
    Es blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Enttäuschung über die Tatsache, daß er untersucht worden war und in Urlaub geschickt wurde, nur weil der Arzt Anzeichen von Müdigkeit festzustellen glaubte, in Whisky zu ertränken. Nur noch zwanzig Einsätze hätte er fliegen müssen, um seinen jetzigen Dienst zu beendigen. Dann hätte er nach Hause gehen können, heim nach Westbury - zu Catharine.
    Erst vor wenigen Tagen hatte er ihr geschrieben und dabei angedeutet, daß die Zeit nun bald gekommen sei. Jetzt war auch dies wieder für mindestens einen Monat hinausgeschoben. Schon achtzehn Monate war es nun her, seit er sie zum letzten Male gesehen hatte.
    Immer wenn er an Catharine Quentin dachte, verfiel er in eine Stimmung, die seine Freunde daheim in Westbury als »auf dem Mond sein« bezeichnet hätten. Catharine war alles in allem eine so vollendete Schönheit, voller Anstand und innerer Güte, daß sich das Bild, das Jerry von ihr im Herzen trug, niemals verändert hatte, auch nachdem er der stimmbrüchigen Verlegenheit des Jünglingsalters entwachsen war. Sie waren zusammen groß geworden und hatten sich verlobt, bevor er nach England hinübergefahren war. Doch blieb sie auch jetzt für ihn die kühle, ruhige, wunderschöne, niemals erreichbare Göttin.
    Groß und schlank lebte sie in seinen Gedanken, mit veilchenblauen Augen und glänzenden Wolken rotbraunen Haares, das ihr Gesicht umrahmte. Sie hatte eine unverdorbene Frische, eine angeborene Reinheit. Sie war seine erste Liebe, und der Gedanke, sie zu heiraten, erfüllte ihn mit Stolz und Demut zugleich. In seinem Herzen war sie in eine Kammer eingeschlossen, die die Bezeichnung »heilig« trug.
    Jerry wurde sich nicht bewußt, daß er Catharine eigentlich gar nicht als Frau betrachtete. Nicht einmal wenn er mit seinen Kameraden auf die unvermeidliche Abenteuerjagd nach London ging, kam ihm dies in den Sinn. Auch hatten diese Augenblicke ja so wenig zu tun mit dem Leben, das er später mit Catharine zu führen gedachte. Sie stand so hoch für ihn,
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