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Ferien mit Patricia

Ferien mit Patricia

Titel: Ferien mit Patricia
Autoren: Paul Gallico
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untersucht und auf Urlaub geschickt.«
    Sie rührte sich nicht und blickte auch nicht zu ihm auf. Nur ihre Finger glitten unruhig am Glase auf und nieder. Ihre Augen blieben unter den gesenkten Lidern verborgen.
    »Pat... Warum können wir nicht einfach zusammen fahren? Wäre es nicht herrlich, wenn wir gemeinsam all diese alten Städtchen besuchen könnten?«
    Pat hob den Blick zu ihm auf, und mit einem leichten Zittern um ihre Lippen sagte sie:
    »Zusammen, Jerry?«
    Aus der Sanftheit ihres Ausdrucks und der reinen Aufrichtigkeit ihres Blickes schöpfte er Mut. Ihr Gesicht verriet weder Zorn noch Gekränktheit. Tief in seinem Inneren hörte er das Echo dessen, was ihm Lester Harrison gesagt hatte. Er fuhr fort:
    »Wir könnten nach Schottland fahren und dort ein bißchen umherstreifen. Immer schon habe ich mir gewünscht, das Hochland zu sehen. Vielleicht könnten wir sogar zwei Fahrräder auftreiben und so umherfahren.«
    Pat war keineswegs verletzt. Sie hatte nur die eine Sehnsucht, von Jerry geliebt zu werden und daß die Träume, die sie in sich trug, seit sie ihn kannte, wahr werden möchten. Nur schwach wurde sie sich des Schattens bewußt, der auf ihren Gedanken lag, denn Jerry hatte nicht gesagt, daß er sie liebe...
    Jerry griff nach ihrer Hand und lehnte seinen dunklen Kopf an den ihren.
    »Möchtest du nicht auch, Pat? Schau, wir könnten eine wunderschöne Zeit zusammen verbringen, hätten nichts, worum wir uns kümmern müßten, und könnten überallhin gehen, wohin es uns zieht.«
    Mit festem Druck hielt sie seine Hand in der ihren und senkte den Blick, damit er nicht sähe, was in ihren Augen war, und flüsterte, so daß er sie im anschwellenden Lärm der Musik und der Stimmen kaum verstehen konnte:
    »Das ist’s ja gerade, was mich so erschreckt, Jerry. Auch ich möchte doch so gern.«
    Es war, als ob ein großes Licht in ihm aufginge. Nie hätte er auch nur zu träumen gewagt, daß der Erfolg so nahe lag. Es war geradeso, wie wenn man mit seinem Flugzeug voller Löcher und einem zerschossenen Motor aus der Hölle zurückkehrte und glaubte, daß man es nicht mehr schaffen könne — und dann tauchte plötzlich die englische Küste auf, und man wußte, daß man nur noch eine Weile durchzuhalten brauchte, um unter sich die vertrauten Zeichen des Flugplatzes zu sehen — nur noch ein kleiner Kraftaufwand, und man war zu Hause.
    »Warum sollten wir denn nicht, Pat?« sagte er nach einer Weile. »Wer hält uns zurück? Möchtest du denn nicht?«
    Nun fürchtete sie sich nicht mehr, ihn anzusehen, der so eifrig auf sie einredete, fürchtete sich auch nicht mehr, in sich selbst hineinzublicken. Er bat sie um zehn Tage ihres Lebens, zehn Tage eines Lebens, das sie ihm von Herzen ganz gegeben hätte. Sie wollte nicht mehr denken. Sie verfolgte keinen Plan oder irgendwelche Absichten, um ihn mit ihrer Liebe an sich zu binden. Über das unmittelbar vor ihr liegende schöne Ziel, mit ihm beisammen zu sein, Tag und Nacht, sah und dachte sie nicht hinaus.
    Sie flüsterte:
    »Gut, Jerry, ich komme mit.«
    Zu Hause war es nun, das verstümmelte Flugzeug, gerettet und sicher. Er atmete tief — es war ein Seufzer der Erleichterung. Und er fühlte eine große Dankbarkeit in sich aufsteigen, daß Pat es ihm so leicht gemacht hatte. Es war ja beinahe so vor sich gegangen, wie Major Harrison es vorausgesagt hatte.
    Als er Pat in die Augen schaute, sah er zu seiner Verwunderung, daß sie voller Tränen waren. Doch in einem solchen Moment weinten wohl alle Mädchen, auch wenn sie etwas Ähnliches bereits öfter erlebt hatten. Aber seine eigene Empfindsamkeit sagte ihm, daß Pat keineswegs abgehärtet war. Er konnte ja der erste sein, mit dem sie in die Ferien fuhr. Und er dachte wieder an Lester Harrison und Catharine, und er hätte gewünscht, die Gedanken an beide aus seinem Kopf verscheuchen zu können. Es war ihm wohl bewußt, welche Aufgabe nun vor ihm lag, eine Aufgabe, der er nur allzugern ausgewichen wäre.
    Sie entsprach so gar nicht seinem Wesen und stand zu allem im Widerspruch, was er in seinem bisherigen Leben gefühlt hatte. Und doch konnte er über die tiefe Wahrheit, die der Warnung Harrisons innewohnte, nicht hinwegsehen, und gleichzeitig drängte ihn sein Gewissen zu einer Treueerklärung gegenüber Catharine. Es war, als ob er sich von einer Schuld, von der Catharine zwar niemals erfahren, die ihn aber später einmal doch vielleicht bedrücken würde, dadurch befreien könnte, daß er Pat verletzte.
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