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Ferien mit Patricia

Ferien mit Patricia

Titel: Ferien mit Patricia
Autoren: Paul Gallico
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kleinen Gesichts verändert hätten, auch jetzt war sie nicht eigentlich hübsch, aber sie war auf einmal ein Mädchen geworden, was ihm bis heute noch gar nicht richtig bewußt geworden war. Ohne die steife, plumpe Uniform wirkte sie plötzlich jung und schlank. Unter der Seide ihrer Bluse sah man die zarten Brüste schimmern. Und ihre Bewegungen hatten plötzlich etwas Gelöstes, Rhythmisches. Ihre schmächtigen Schultern und ihr schlanker Hals gaben ihrer Erscheinung etwas besonders Anziehendes.
    Jerry stellte seinen Reisesack hin, beugte sich fast ein wenig scheu vor und küßte sie auf die Wange. Sie legte ihre Hand auf sein Gesicht, ließ sie dort einen Augenblick ruhen, und so standen sie in dem trüben Flur dieses Miethauses und blickten sich an.
    Im Geist zog Pat ganz leise eine Tür hinter sich zu und wartete einen Augenblick, bereits mit der Hand auf der Klinke einer neuen, noch geschlossenen Tür. Nichts von Traurigkeit, Verletztsein oder Kampf war noch in ihr. All das, dem es ins Auge zu blicken galt, hatte sie während der letzten Nacht allein durchgekämpft. Nichts war in ihr als verstehende Liebe und Großzügigkeit und der junge, süße Lebenshunger ihres Wesens.
    Sie schaute zu Jerrys Armbanduhr hinunter und sagte, gleichsam als lese sie es dort ab:
    »Es begann einunddreißig Minuten nach zehn Uhr, am achtzehnten Juni morgens, im Jahre neunzehnhundertvierundvierzig.«
    Und Jerry fügte hinzu:
    »...als er sie in seine Arme nahm, sie küßte und sagte: > lles in Ordnung, Baby, wir wollen gehen.< «
    Und Arm in Arm traten sie auf die Straße hinaus.

    Am Ende des zweiten Tages machten sie zum erstenmal auf dieser Reise Station in einem großen, rußigen, rauchgeschwärzten Hotel in der Nähe des Bahnhofes von Glasgow, wo sie sich das einzige noch nicht belegte Zimmer sicherten, einen trüben, hohen Raum, in den durch ein schmutziges Fenster ein trauriges Licht fiel, mitten auf den ahornen, häßlichen Waschständer mit seiner Schüssel und seinem Wasserkrug.
    Die Höhe des Zimmers, das riesige Bett, das auch für vier Personen ausgereicht hätte, und der wuchtige Kleiderschrank ließen sie sich wie zwei Liliputaner Vorkommen. Auch der graue Lichtfleck, der von außen durch den Sprühregen ins Zimmer fiel, wirkte irgendwie lähmend. Aber sie waren beide so müde, daß auch das nichts mehr ausmachte. Jerry war froh, daß sie überhaupt einen Platz gefunden hatten, wo Pat ein wenig ausruhen konnte.
    Das Zimmermädchen, das durch den Raum wirbelte und mit einem Tupf hier und mit einem Wisch dort etwas Heiterkeit in das Zimmer zu bringen versuchte, sagte:
    »Viel zu sehen gibt’s nicht, aber es ist ruhig, und Sie werden bestimmt gut schlafen.«
    Die hinter ihnen liegende Fahrt in den Norden war eine Art Albtraum von überfüllten Eisenbahnwagen, von schmutzigen und schlechtem Essen und ermüdete sogar ihre jungen Körper. Doch sie konnte ihrer guten Stimmung nichts anhaben oder an der Geduld oder Aufgeräumtheit Jerrys etwas ändern, noch die Heiterkeit dämpfen, die über Pat gekommen war, nachdem sie die Haustür in der Bishops Lane hinter sich geschlossen hatte.

    Hand in Hand hatten sie die erbärmliche Reise hinter sich gebracht, halb lachend, halb in scheinbarer Verzweiflung, wenn sie schon wieder nur einen halben Meter für sich beide in einem dreckigen Dritter-Klasse-Abteil erkämpft hatten, eingeklemmt zum Ersticken zwischen greinenden Kindern, verdrießlichen Soldaten und abgehetzten Zivilisten. Manchmal, wenn sie nicht einmal einen einzigen Sitzplatz gefunden hatten, standen sie eingeengt und gestoßen in dem vollgepackten Gang.
    Und dann waren sie durch das verdunkelte Birmingham gegangen, hatten vergeblich einen Platz gesucht, wo sie die Nacht hätten verbringen können, und kehrten schließlich entmutigt in die dunkle Höhle des Bahnhofs zurück, in das rußige Gewölbe aus Stahl und Glas, das von Dampf, Rauch, Geklirr und dem unaufhörlichen Fußscharren von Hunderten, in dem trüben Licht kaum zu sehenden Menschen erfüllt war, die wie verlorene Seelen die Vorhölle durchwanderten. Ab und zu sahen sie im Halbdunkel das Abzeichen eines englischen Regiments blinken, und für einen Augenblick tauchten ein Matrose, ein Soldat oder eine Frau in Uniform oder eine gelblichgraue Familie, die schwere Kisten oder abgeschabte Koffer schleppte, aus dem ununterbrochenen Strom der in diesem England der Kriegszeit ruhelos dahintreibenden Menschen auf.
    Plötzlich hatte Jerry eine Erleuchtung, und eine
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