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Ferien mit Patricia

Ferien mit Patricia

Titel: Ferien mit Patricia
Autoren: Paul Gallico
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geworden war. Aber jetzt, da er das alles erkannte, hätte er sein Leben auf einer Lüge aufgebaut, wenn er Catharine doch geheiratet hätte.
    Und ebenso wußte er plötzlich, daß er einmal ein Junge gewesen war, ein kindischer Bursche, der mit einer Bande guter Kameraden die Hölle dieses Krieges durchlitt, ein Bursche, der zu einem Mann heranwachsen wollte und sich einbildete, ein Mann zu sein, heiße so sein wie Major Harrison, fröhlich und sorglos, leichtsinnig, etwas hartherzig und zähe, ein Mann, der mit den Frauen nach Gutdünken umsprang. Er hatte sich Mühe gegeben, ihn nachzuahmen, und nun hatte er erkannt, daß das falsch gewesen war. Und eine Sekunde lang glaubte er sogar, Mitleid für Major Harrison zu empfinden, und er fragte sich, was für ein Kreuz es wohl war, das dieser auf seinen Schultern trug.
    Denn man war ja nur dann ein Mann, wenn man das darstellte, was man wirklich war, wenn man die Wahrheit ertragen konnte, ohne davor zurückzuschrecken oder sie zu verfälschen. Und diese Wahrheit bestand darin, daß es in unserem Erdenleben kein Glück ohne Leid, keinen Sieg ohne Niederlage gibt. Mochte der Lebenspfad auch von Freude, Entzücken und Schönheit umsäumt sein, ebenso gab es die Bürden, die getragen sein wollten.
    Und über seine eigenen Bürden war er sich nun im klaren. Er würde ihnen nie gänzlich entfliehen können, und niemals würde er in seinem innersten Gefühl ganz frei sein von der Schuld, die auf ihm lastete, weil er den ihm teuren Menschen Schmerz und Leid zufügen mußte.
    Er erkannte nun auch die Bedeutung seiner Liebe für Pat und wußte, daß es ohne diese Liebe kein Leben mehr für ihn gab. Er hatte um sein Glück gekämpft, und er hatte gesiegt.
    Pat und er würden heiraten, würden von nun an Seite an Seite durchs Leben gehen, und dieses Zukunftsbild ließ ihn innerlich jubeln. Aber vor ihm lag auch der harte Zwang, Catharine und seinen Eltern weh zu tun.
    Als Pat ihn nach Catharine gefragt hatte, war ihm klargeworden, daß, abgesehen davon, daß er Pat über alles liebte, sich nichts geändert oder er einer Lösung nähergekommen war. Alles war noch genau wie vorher, bis auf das eine.
    Er hatte an seine Eltern gedacht, an ihr gemeinsames Leben und an die Zukunft, die sie mit so viel Liebe und Sorgfalt für ihn geplant hatten. Er hatte gedacht, wie leicht Dinge, die von außen an einen herantreten, das Leben ändern und Pläne zerstören können, Dinge, über die man keine Gewalt hat, auch seine Eltern nicht, da sie ja nur ihn selbst etwas angingen. So mußte er denn sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Er wußte auch, daß seine Eltern stark genug waren, um diese plötzliche Veränderung zu ertragen, und daß sie sich schließlich mit den Tatsachen abfinden würden. Aber all diese Überlegungen machten ihm den Gedanken, daß er ihnen, wenn auch nur vorübergehend, ein Leid zufügen mußte, keineswegs leichter.
    Und in der entscheidenden winzigen Zeitspanne hatte Jerry das Gewicht auf seinen Schultern gespürt, das er nun tragen mußte. Aber neben und bei ihm war ja nun auf immer Pat. Und keine Last war so schwer, daß sie nicht ein Mensch hätte auf sich nehmen können.
    »...Es gibt nur dich, Pat, und ich werde immer nur dich lieben.«
    Seine Antwort, die innige Zärtlichkeit seines Kusses brachten Pat endlich Frieden und vertrieben alle Wolken, Schmerzen und Ängste. Sie gehörte Jerry, für immer, und sie war von solch einer Seligkeit erfüllt, daß sie alles andere darüber vergaß.
    Sie verließen den Torbogen, unter dem sie gestanden hatten, und wanderten nun Hand in Hand, eng aneinandergeschmiegt, dahin, ohne zu wissen und ohne sich darum zu kümmern, wohin ihre Füße sie trugen.
    Eine neue Schlange wartender Menschen staute sich vor der Haltestelle. Als sie in den kleinen gelben Lichtkreis traten, der aus der abgedunkelten Straßenlaterne auf das vom Regen glänzende Pflaster fiel, wurde Jerrys Gesicht für einen Augenblick von dem matten Schein erhellt, und Pat schien es, als sie zu ihm aufblickte, daß sie ihn zum ersten Male sehe.
    Und gar nichts von dem, was ihr Gemüt bedrückt hatte, blieb in ihrem Innern zurück, denn es war ein anderer Jerry, der da neben ihr ging. Irgendwo und irgendwie war aus einem Jungen ein Mann geworden.
    Gemeinsam schritten sie aus dem gelben Lichtkegel und verschwanden im ziehenden Nebel.

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