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Ferien mit Patricia

Ferien mit Patricia

Titel: Ferien mit Patricia
Autoren: Paul Gallico
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den flachen Absätzen und dem lächerlich kleinen Hütchen mit den Kornblumen, das sie sich auf den Kopf gestülpt hatte. Er hörte wieder den zärtlichen, liebevollen Ton ihrer Stimme, als er jetzt ihren vertrauten Trinkspruch zu vernehmen glaubte: »Cheerio...«
    Und plötzlich erblickte er wieder durch sie hindurch Vater und Mutter, wie sie ihre Gläser erhoben, und es überfiel ihn das sonderbare und bedrückende Gefühl, daß sie ihm fremd waren, und er wünschte sich, weit fort von ihnen zu sein.
    Er fühlte sich so einsam und verloren wie noch nie in seinem Leben. Er wußte, daß es nicht ihre Schuld war, wenn er bei ihnen nicht das Verständnis für seine innere Not gefunden hatte, dessen er so sehr bedurfte. Aber gerade, weil er das so klar wußte, wollte er jetzt dem allem hier so schnell wie möglich entfliehen.
    Harman Wright schaute wieder auf seine Uhr und räusperte sich:
    »Es tut mir leid... aber wir werden wohl fünfundfünfzig Minuten brauchen.«
    Es war wie eine Erlösung, und Jerry sprang sofort auf, trotz des Widerspruchs seiner Mutter. Mechanisch ließ er den Abschied über sich ergehen, holte seine Mütze aus der Garderobe, hob nochmals Skipper, den Hund, zu sich empor und kraulte ihm den Kopf.
    »Hast du keinen Koffer?« fragte der Vater und schüttelte den Kopf über diesen Krieg, in dem man einen Sprung von dreitausend Meilen machte, ohne auch nur den kleinsten Koffer mitzunehmen. Dann fiel ihm das Geld ein, und er sagte:
    »Wie bist du bei Kasse, Junge ? Hier, es ist wohl besser, ich gebe dir etwas.«
    Er drückte ihm noch rasch einige Geldscheine in die Hand. Die Mutter schlang die Arme um ihn und küßte ihn wieder und wieder mit einer Art verzweifelten Eifers.
    »Schreib oft, Lieber... sei vorsichtig... denk immer daran, wie sehr wir uns hier um dich sorgen... wir lieben dich ja so, Jerry«, wiederholte sie unablässig, bis der Vater schließlich sagte:
    »Ich habe den Wagen hinter dem Haus. Es fällt weniger auf, wenn wir durch das Seitensträßchen fahren. Also denn...«
    Und endlich saß Jerry im Auto, und die Scheinwerfer ließen die dunkle Straße vor ihnen hell erglänzen. Er fühlte sich so müde, daß er glaubte, von einem Traum in den andern zu sinken, während er seinem Vater zuhörte, der von Plänen sprach für die Zeit, wenn der Krieg vorüber war.
    »Du wirst wohl nicht ins College zurückwollen, wenn du heimkommst«, sagte er. »Ich nehme an, daß du in der Luftwaffe höllisch viel gelernt hast. Andererseits, wenn man einmal angefangen hat, ist nichts so hinderlich wie eine halbe Schulbildung. Ein Abschluß ist etwas, das man nie zu bedauern braucht. Du mußt dir aber selbst klarwerden, was du willst. Wie dem jedoch auch sei, du kannst Catharine dann sofort heiraten. Vermutlich sind viele in der gleichen Lage wie du, und sie werden es auch so machen.«
    Die rollenden Reifen verursachten auf dem Pflaster einen weichen. sirrenden Ton.
    »Kannst du dich an das kleine Ziegelhaus an der Fenimore-Road erinnern? Es steht ganz nahe beim Teich, eine halbe Meile außerhalb der Stadt. Es ist verkäuflich. Mutter und ich haben es uns letzte Woche angesehen. Es ist in sehr gutem Zustand.«
    Jerry sah sich vor diesem Ziegelhäuschen stehen, diesem Häuschen draußen beim Teich, sah sich, wie er es von außen betrachtete, aber nicht hineingehen konnte und nichts anderes erblickte als die weißen Fensterläden und die Tür.
    Wie nebenbei sagte Harman:
    »Ich war bei Griggs, dem Häusermakler. Es wäre für euch zwei...«
    Er fuhr fort, von dem zu plaudern, was er sich für ihn ausgedacht hatte, und sprach unaufhörlich während der ganzen Fahrt, die Jerry unwirklich und endlos dünkte, bis in der Ferne ein schwankendes Licht vom Leuchtturm des La Guardia-Flugplatzes den nächtlichen Himmel abzutasten begann. Kurz darauf hielten sie vor dem strahlend erleuchteten Eingang.
    Jerry verabschiedete sich von seinem Vater noch im Wagen. Ein Lächeln und ein Händedruck — »Leb wohl, mein Junge, sei vorsichtig« — »Leb wohl, Vater...«
    Wie er seinen Vater betrachtete, der rosig und jung, gut aussehend, in einem elegant geschnittenen Mantel am Steuer seines Wagens saß, schien es ihm, als ob er sich von einem Fremden verabschiedete, von jemandem, der ihn unterwegs mitgenommen hatte. Und als es ihm gelungen war, diesen Gedanken abzuschütteln, überwältigte ihn bereits ein neuer, während er immer noch seinem Vater die Hand drückte. Er sah sich selbst am Steuer sitzen, und es war sein
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