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Ferien mit Oma

Ferien mit Oma

Titel: Ferien mit Oma
Autoren: Ilse Kleberger
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Stall. Er hatte sich mit Frieder in eine Ecke hinter dem Holzstoß gedrückt. Als die beiden Brigitte sahen, verbargen sie hastig etwas, und Jan sagte böse: „Geh weg, Weiber haben hier nichts zu suchen!“
    Brigitte schnupperte. „Hach, ihr raucht, das werd’ ich Oma sagen.“
    „Weiber müssen immer petzen“, sagte Jan, nahm nun ganz offen seine Zigarette hervor, sog den Rauch tief ein und ließ ihn mit einem triumphierenden Blick auf Brigitte aus der Nase herausquellen. Den Tränen nahe ging Brigitte zu Oma in die Küche. Oma war gerade beim Abwaschen. „Komm, trockne ab“, sagte sie. Auch das noch! Brigitte arbeitete eine Weile lustlos und schweigend.
    Oma beobachtete sie. Schließlich fragte sie: „Was fehlt dir?“
    Jetzt konnte Brigitte die Tränen nicht mehr zurückhalten. „Es ist alles so schrecklich langweilig.
    Peter will nicht mit mir spielen und Jan --- und Jan ---“
    „Hockt hinter dem Schuppen und raucht“, vollendete Oma.
    Brigitte nickte schluchzend. „Und er sagt, ich bin ein Weib und eine Petze, und Karoline ist verreist, und der Zauberer ist im Krankenhaus, weil sein Bein schlimmer geworden ist, und alle aus meiner Klasse sind verreist. Die Susi ist in Italien und der Hans in Österreich und die Bärbel in der Schweiz, und sie wird einen ganz hohen Berg besteigen, und alle werden sie so viel erzählen, wenn sie zurück sind, nur wir nicht, weil wir gar nicht verreisen. Huuu.“
    Und nun heulte sie richtig laut mit vielen Tränen. Oma nahm ihr das Tuch aus der Hand und trocknete die letzten Gläser ab. „Nun hör mal auf, dich zu bemitleiden“, sagte sie. „Diesmal war es wichtiger, daß deine Eltern verreisten, sie hatten es nötiger als ihr. Da muß man auch mal verzichten können.“
    Brigitte antwortete nicht. Sie ging in ihr Zimmer und warf sich aufs Bett. Sie fühlte sich verlassen von der ganzen Welt. Selbst Oma verstand sie nicht.
    Als Oma zum Essen rief, stand sie auf, wischte die Tränen ab und putzte sich die Nase. Weinen machte sie immer hungrig, und es roch aus der Küchengegend appetitlich nach Erbsensuppe. Jan und Heiner hatten schon die Löffel in der Hand. Oma stellte die große Suppenschüssel auf den Tisch, öffnete das Fenster und rief: „Majestät, es ist serviert.“
    Peter betrat mit feierlich langsamem Schritt den Raum. „Was werden wir heute speisen?“
    „Pfauenschwanzsuppe“, sagte Oma.
    Der König setzte sich an den Tisch und fing an zu löffeln. Er war etwas behindert durch die Blumentopfkrone auf seinem Kopf. Durch das Fenster sahen sie, wie der Briefträger auf seinem Fahrrad angefahren kam. Jan lief hinaus und kam mit einer Postkarte und einem Brief zurück.
    Die Karte war von den Eltern. Sie zeigte eine alte Burg vor einem leuchtend blauen Himmel. „Wir machen schöne Spaziergänge und erholen uns prächtig“, schrieben Vater und Mutter.
    Der Brief war von Ingeborg, der großen Schwester, die in der Stadt Tiermedizin studierte. „Liebe Oma“, schrieb sie, „in ein paar Tagen komm’ ich nun nach Hause. Ich freu’ mich auf euch alle. Aber ich muß in den Ferien meine Semesterarbeit machen, damit ich ein Stipendium bekomme.“
    „Stipendium?“ fragte Peter. „Was ist das für ein Tier?“
    „Das ist kein Tier, das ist Geld, das Ingeborg von der Universität zum Studium bekommt, wenn sie ganz besonders fleißig ist. Aber hört weiter.“
    „Hoffentlich sind die Kinder nicht so laut, wenn ich arbeiten muß. Sie toben manchmal so arg durchs Haus. Und wenn sie sich zanken, habe ich bestimmt keine Ruhe. Könntest du ihnen nicht sagen, daß sie...“ Oma konnte nicht weiterlesen. Ihre Stimme ging in einem Sturm der Entrüstung unter.
    Jan rief: „Wir sollen wohl den ganzen Tag auf Zehenspitzen rumschleichen. Was fällt ihr denn ein?“
    „Die gibt ja reichlich an mit ihrer Arbeit“, brummte Heiner.
    Brigittes Tränen fingen wieder an zu kullern. „Wir verreisen nicht, und wir dürfen nicht spielen und nicht herumtoben und überhaupt nichts.“
    Peter aber brüllte, so laut er konnte: „Könige sind überhaupt nie laut!“
    Danach löffelten alle schweigend und verärgert ihre Suppe. Selbst Oma, die sonst meist ein begütigendes Wort fand, sagte nichts. Nachdenklich blickte sie vor sich hin. Nach dem Essen stülpte sie ihren Hut auf den Kopf, nahm den Regenschirm in die Hand und machte sich auf den Weg in die Stadt. „Wo gehst du hin?“ riefen die Kinder. Aber sie antwortete nicht. Was für ein ärgerlicher Tag! Was für langweilige
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