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Ferdinand Graf Zeppelin

Ferdinand Graf Zeppelin

Titel: Ferdinand Graf Zeppelin
Autoren: Gunter Haug
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Kehrtwende des Luftschiffs wie eine Bombe einschlug. Außer sich vor zornbebender Empörung ließ der düpierte Kaiser sofort ein Telegramm nach Friedrichshafen schicken, in dem er seinem Unmut mit ähnlich drastischen Worten Geltung verschaffte, wie dies auch die unübersehbare Masse von maßlos enttäuschten Berlinern schon an Ort und Stelle tat.
    Während also in Berlin die Volksseele kochte, zeigten sich Zeppelin und seine Mannschaft vom Verlauf der Dauerfahrt höchst zufrieden: »Wenn alles planmäßig weitergeht, werden wir am Ende beinahe 1200 Kilometer zurückgelegt haben und waren dabei insgesamt mehr als 39 Stunden in der Luft! Das ist ein weiterer Beweis für die Zuverlässigkeit unseres Schiffes. Ich werde mich nun kurz zum Schlafen niederlegen. Übernehmen Sie bitte das Steuer, Dürr!«
    Während es der Graf tatsächlich schaffte, die Augen zu schließen, steuerte Ludwig Dürr das Luftschiff weiter sicher durch den Himmel. Stundenlang. »Ich denke, wir sollten in Göppingen herunter gehen und neues Benzin aufnehmen«, meldete sich schließlich Bassus zu Wort, der gerade den Füllstand der Benzinfässer in einen kritischen Augenschein genommen hatte. »Bis Friedrichshafen könnte es ansonsten knapp werden.«
    »Einverstanden«, murmelte Dürr, dem allmählich vor Müdigkeit die Augen zufielen. »Ganz langsam tiefer gehen«, ordnete er einen vorsichtigen Sinkflug ihres Luftschiffes an. Die Landung gestaltete sich jedoch wesentlich schwieriger als erwartet. Zunächst hatte der völlig übermüdete Dürr zu spät das Kommando zur Landung auf einer geeigneten Wiese erteilt, wodurch sie zwangsläufig über die Stadt hinweg auf das linke Ufer der Fils zugetrieben waren. Dahinter jedoch stieg das Gelände wieder deutlich an. »Ballast abwerfen! Schnell!« schrie Dürr noch, dann krachten sie mit der Spitze ihres Schiffs bereits in einen Birnbaum kurz vor dem Ort Jebenhausen. Die Männer wagten nicht zu atmen. Wieder eine Kollision mit einem Obstbaum. Sollte sich das Schauspiel der Katastrophe von Echterdingen nun also in Göppingen wiederholen?
    Nichts dergleichen geschah. Gott sei Dank! »Die Anker abwerfen, Halteleinen ausbringen«, wies der schlagartig wieder hellwache Dürr seine Mannschaft an.
    Wie sich schließlich herausstellen sollte, war der Unfall mehr als glimpflich verlaufen. Keine einzige Gaszelle war beschädigt worden, das Schiff hing locker in der Krone des Baumes, keine dramatische Wetterverschlechterung war zu befürchten. Lediglich das Aluminiumgestänge an der Bugspitze war verbogen, die Baumwollhülle vorne eingerissen. Dürr wusste sich sogleich zu helfen. »Dort hinten an der Scheune. Die Dachlatten, die da lagern!« deutete er zu einem Acker hinüber. »Die dürften lang genug sein, die können wir zur Reparatur gut brauchen. Soll einer ins Dorf laufen und sich bei den Bauern erkundigen, wem die Scheune gehört. Wir kaufen ihm die Latten ab und zahlen ihm auch für den Schaden am Birnbaum und auf seinem Feld einen guten Preis!«
    Auf diese unkonventionelle Weise war der Defekt zumindest provisorisch rasch behoben, die Dachlatten von der Jebenhausener Scheune anstelle der Aluminiumträger als neues Gerüst für den Bug zusammengebunden, die Hülle notdürftig geflickt und einigermaßen fest verschnürt: somit konnte die Fahrt wieder aufgenommen werden. Im Volksmund sollte sich hinterher in Friedrichshafen hartnäckig die Behauptung halten, man habe keine Dachlatten, sondern Hopfenstangen zur Behebung des Schadens verwendet. Ein Gerücht, das sich schon bald – so falsch es auch war – als unausrottbar erweisen sollte. Und damit galt rund 100 Jahre später die Mär von den Hopfenstangen längst als erzählte »Tatsache«, die man gerne für bare Münze nahm. Aber einerlei: Hauptsache, die Reparatur war damals dank der Holzstangen geglückt, so dass »LZ 5« ohne weitere Beeinträchtigungen am 2. Juni 1909, begleitet vom Begrüßungsjubel der Zaungäste in Friedrichshafen sicher auf der Wasserfläche vor Manzell niederging: nach ganz genau 38 Stunden und 40 Minuten, die sie bei ihrer Rekordfahrt in der Luft verbracht hatten.
    Natürlich war es dem peniblen Dürr entsetzlich peinlich, dass ausgerechnet ihm dieses Missgeschick unterlaufen war, aber die Aufregung um das erboste Telegramm des Kaisers lenkte die Aufmerksamkeit schon bald einzig auf dieses andere Thema. »Mit knapper Not einer neuen Katastrophe entgangen, dafür aber in der Gunst des Kaisers schon wieder ins Bodenlose
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