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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod
Autoren: Linwood Barclay
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gefehlt«, sagte ich und dachte an etwas ganz anderes. Versuchte zu verstehen.
    »Wir haben ein paarmal bei euch angerufen, euch aber nicht erreicht. Da dachten wir, du bist vielleicht nach Burlington gefahren und hast deinen Bruder mitgenommen.«
    »Nein.«
    Harry lachte. »Klar, jetzt wissen wir ja, wie’s wirklich war. Alles in Ordnung mit euch? Ich meine körperlich. Geht’s euch gut?«
    »Die Handgelenke sind ein bisschen wund«, sagte ich. »Irgendwie tut alles weh.«
    »Eine unglaubliche Geschichte«, sagte Harry. »Hör mal, die Unterschriften, die ich noch von dir brauche, das eilt nicht. Das können wir irgendwann mal machen. Wenn euer Leben wieder in geordneten Bahnen verläuft, dann –«
    »Nein«, sagte ich. »Machen wir’s gleich.«
    »Wenn du meinst, ich schau gleich mal in meinem Kalender –«
    »Ich bin in ein paar Minuten bei Ihnen.«
    »Ray, warte mal. Ray? Du hast mich gerade auf meinem Privathandy angerufen. Warum nicht im Büro? Woher hast du die Nummer überhaupt?«
    »Bis gleich«, sagte ich und legte auf.
    Thomas sah mich an. »Wie geht’s dem Präsidenten?«
    Ich ging ins Zimmer meines Vaters, schloss die Tür und setzte mich auf die Bettkante. Ich legte das Handy aufs Bett, fuhr mit der flachen Hand über die Tagesdecke, spürte die Erhebungen auf dem Stoff.
    Was zum Teufel hatte das zu bedeuten?
    Harry Peyton hatte bei uns angerufen und so getan, als sei er Präsident Clinton. Der Einzige, der ihm das abgenommen hätte, war mein Bruder. Harry wusste Bescheid über die Phantasien meines Bruders.
    Und spielte mit ihnen.
    Der Anruf, den Lewis entgegengenommen hatte, konnte nicht der erste gewesen sein. Es muss davor schon welche gegeben haben. Für meinen Bruder. Gespräche, von denen mein Bruder geglaubt hatte, er führe sie mit Bill Clinton.
    Aber aus eigener Beobachtung wusste ich, dass Thomas diese Gespräche geführt hatte, ohne wirklich zu telefonieren. Er hatte sie sich nur eingebildet.
    Harry Peyton wusste von diesen imaginären Telefonaten.
    Und hatte beschlossen, sie Wahrheit werden zu lassen.
    Ich nahm mein Handy und kehrte in Thomas’ Zimmer zurück. Er saß noch immer niedergeschlagen auf seinem Computerstuhl.
    »Wenn er … du weißt schon, wer, dich hier anruft … was sagt er dann zu dir?«
    Thomas blinzelte. »Weißt du noch, ich hab dir doch erzählt, dass er in letzter Zeit nicht mehr so nett war?«
    »Ja.«
    »Er hat gesagt, uns würde was Schlimmes passieren, wenn ich mit dir darüber rede. Über das, was mir passiert ist, und das, was er mir jetzt sagt. Er hat gesagt, das ist etwas nur zwischen ihm und mir, und er wollte Sachen von mir wissen, persönliche Sachen, und von dir und von Dad. Früher hat er mich solche Sachen nicht gefragt, als wir noch ohne Telefon miteinander gesprochen haben, als ich ihn nur hörte.«
    »Was hat er dich über Dad gefragt?«
    »Er wollte wissen, ob er über seine Freunde sprach, ob er mir irgendwas Schlechtes über sie erzählt hat. Denn Mr. Clinton musste ganz sicher sein, dass es um mich herum keine Feinde oder Spione oder so was gibt.«
    »Was hast du ihm gesagt?«
    Thomas zuckte die Achseln. »Nicht viel. Ich hab ihm erzählt, dass ich Len Prentice nicht mag, und dass ich Mr. Peyton überhaupt nicht leiden kann, und dass ich deswegen auch nicht zu Dads Beerdigung gegangen bin, weil ich mir dachte, dass er da sein würde.«
    »Thomas«, sagte ich leise, »das, was dir damals, vor langer Zeit, am Fenster passiert ist, das hat Mr. Peyton mit dir gemacht, stimmt’s?«
    Sein Blick war verschlossen. »Dad hat gesagt, ich darf nicht darüber reden. Nie. Sogar, als er sich entschuldigt hat, als er schon wusste, dass es wahr ist. Er hat gesagt, ich darf nicht darüber reden, solange er nicht weiß, was er tun soll. Aber es könnte sein, dass ich schließlich darüber reden muss. « Er sah weg. »Das wollte ich aber nicht. Ich wollte nie wieder darüber reden. Dad wollte, dass ich es vergesse. Jahrelang. Ich kann das nicht. Es der Polizei erzählen oder in einem Gerichtssaal darüber reden. Nein, nie.«
    Ich suchte in meinem Handy nach einer Nummer und stellte fest, dass ich sie nicht eingespeichert hatte. Ich brauchte ein Telefonbuch.
    »Wir reden später weiter, ja, Thomas?«, sagte ich. »Und dann besorgen wir dir einen neuen Computer, gut?«
    »Gut«, sagte er. »Soll ich Abendessen machen?« Das Angebot kam so unerwartet, dass ich mir die Tränen verbeißen musste.
    »Ich weiß nicht mal, ob wir was zu Hause haben«, sagte
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