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Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
Autoren: Jörg Maurer
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eine geheime Zahlenchiffre würde ihm gesimst werden, eine Abkürzung, wie sie auch im Polizeifunk verwendet wurde. Er hatte die einzelnen Nummern im Kopf. Er war kein Gedächtniskünstler. Er wusste die Nummern aus einem ganz bestimmten Grund auswendig.
     
    017 Bombendrohung 021  Banküberfall 025  Zechprellerei
    035 Verfolgung 039  Totschlag 045  Sprengstoffanschlag
    048  Selbsttötung 049  Schwertransport 057  Ausbruch
    073  Einschleicher 080  Falschgeld 084  Flugzeugabsturz
    088  Gasgeruch 090  Gefangenentransport 091  Geisteskranker
    094  Grober Unfug 107  Leiche 111  Munitionsfund
    112  Notlandung 115  Raub 118  Ruhestörung
     
    Doch sein Mobilfunkgerät klingelte nicht. Es hüpfte und plodderte auch nicht. Gut gelaunt schlenderte Jennerwein über den geschäftigen Markt des Kurortes. Es war erst früher Vormittag, doch um jeden Stand hatten sich schon kleine Gruppen von Interessierten gebildet. So ein Wochenmarkt ist auf der ganzen Welt gleich. Ganz am Anfang, in bester 1 a-Lage, befindet sich immer ein Gemüsehändler. Im Kurort ist es der schon geschilderte Grantler. In Bayern gilt nämlich die Regel: Der grantigste Tandler macht das Rennen. Merkwürdigerweise wird er als der Seriöseste empfunden. Dann, nach einigen Antipasti-Angeboten, kommt ein weiterer Gemüsestand. Der Besitzer ist das genaue Gegenteil des Grantlers, es ist vielmehr ein rechter Quirlherum und Schreihals, der dich sofort duzt und dir einen Kohlrabi oder eine Mango aufgeschnittenerweise in den Mund steckt. Oder es zumindest versucht: Da, probier! Saugut! Nach drei weiteren Schritten steht man am Stand des gelangweilten, fast melancholisch dreinschauenden Honigverkäufers. Der blickt über die Kunden hinweg in die Ferne, als hätte er gerade ein paar Rainer-Maria-Rilke-Gedichte gelesen und verstanden. Es folgen: die Bude des Tirolers mit seinen tausend Schinken – der meist verwaiste Wachskerzenstand – das duftende Reich des folkloristisch gekleideten Gewürzweiberls – der erste Würstlstand. Dann kommt der dritte Gemüsestand, der ist so richtig demetrig bio, dementsprechend teuer, allerdings bestückt mit zwei jungen Verkaufskanonen, die das wieder wettmachen. Manches Blättchen Gemüse ist so horrend hochpreisig, dass die Kreditangebote der Sparkasse dahinter durchaus ihren Sinn haben. Trotzdem: Dieser dritte Gemüsestand ist eine Armutsfalle. Daran reiht sich – im Kurort genauso wie in Kiel oder Kaiserslautern – der Allgäuer Käsemann, ein grober Klotz, der das Publikum mit derben Zoten lockt – nix Rainer Maria Rilke, sondern naheliegende Wortspiele mit Eiern, Käse, Euter, Kuh, Stier, Hahn und der ganzen übrigen Bauernhoferotik. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen hat der wüste Allgäuer Zulauf von feinen Damen und der Intelligenzija des Kurorts. Der kunstsinnige Professor Schreyögg fragt nach Roquefort – er wird ausgelacht und bekommt Emmentaler aus Hindelang. Die zerbrechlich wirkende Baronin Brede von Hoffstaetter fragt nach einem milden Dessertkäse, der bei ihrer wöchentlich stattfindenden Séance die geschmackvolle Überleitung zum Geistersehen bilden soll –
    »Do dädi an Schmierkäs empfähla«, allgäuerte der hagebuchene Hindelanger. »Der weckt Tote auf.« [1]
    Nach der Bude des handfesten Käsemannes kommt die rosenwangige Biometzgerin, dann der hübsche Florist inmitten seiner phantasievollen Gebinde, und zum Schluss der Würschtlmo, der es versteht, seine Würschtl mit einem derartig positiven Mythos zu versehen, dass die Schlange oft bis zum Ortsausgang reicht, was den anderen Würschtlmo’s ein Rätsel ist.
     
    Jennerwein bückte sich, um seine Schnürsenkel zu binden. Sein Blick fiel auf ein kleines Elektrohäuschen, das mit zweitklassigen Graffiti beschmiert war. Zweitklassig deshalb, weil sich der Kommissar ein wenig mit dieser Art der Malerei auskannte. Das Gekritzel dort auf dem Elektrohäuschen war nichts im Vergleich zu den Kunstwerken, die man oft auf dem Bahnhofsgelände sah: kühne Schriften und geheimnisvolle Zeichen der trotzigen Reviermarkierung. Jennerwein hatte vor vielen Jahren, als er noch im Streifendienst arbeitete, einen vermummten Writer festnehmen müssen, der gerade bei der Arbeit gewesen war. Nachts hatte er ihn erwischt, und es sah fast ein bisschen so aus, als wollte er sich erwischen lassen. Der Ober-Skiller mit dem Künstlernamen Mungo bezeichnete seinen Style als
krypto
. Jennerwein hatte es damals beim Platzverweis belassen, denn er
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