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Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
Autoren: Jörg Maurer
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Plastiklatschen.
     
    Tom ließ den Ball auf den Boden tropfen, bückte sich und griff ihn wieder auf. Acht Sekunden konnte man sich laut Regelwerk für eine Volleyballangabe Zeit lassen. Acht volle Sekunden. In dieser Zeitspanne soll auch das Universum entstanden sein, vom Urknall ab gerechnet. Acht Sekunden dauerte ein Sprung von der Klippe von La Quebrada in Acapulco. Nach acht Sekunden entfaltete Zyankali seine endgültige Wirkung. Acht Sekunden schienen eine richtig lässige Zeitspanne zu sein. Toms Mannschaftskameraden, die Gegner, auch die reichlich anwesenden Zuschauer wussten, dass von diesem einen Schlag eine ganze Menge abhing, dass hier auf dem glühenden Feinsandplatz eine schwerwiegende Entscheidung anstand. Auch die zufällig vorbeischlendernden Badegäste spürten es. Einer twitterte eine Nachricht an seine sechshundert Follower:
Haha! Hulk schlägt grade im Centre Court auf. Bin im Loisachbad.
Immer mehr Neugierige blieben stehen. Wenn Tom diesen Service versemmelte, dann waren nicht nur Punkt, Satz und Spiel verloren, sondern auch die Ehre der Apple-Benutzer. Denn heute spielten die Mac-User (Profil: stylisch, smart, designorientiert) gegen die PC ler (Profil: übelst mainstreamig, old-fashioned, Tag und Nacht am Neustarten). Sie rangen jetzt schon zwei Stunden um den Sieg, hatten in der kühlen Morgenluft begonnen und sich Satz für Satz in die stetig anschwellende Vormittagshitze hineingebaggert und -geschmettert. In wenigen Augenblicken würde das sandige Gerangel zu Ende sein. Tom hatte vor, die Zeitspanne von acht Sekunden voll auszuschöpfen, um die öden Windows-User auf der anderen Seite des Netzes so richtig zu zermürben. Grundkurs Psychologie. Erneut hob er den Ball in Kopfhöhe. Und wieder eine ferne Kaskade von schrillem Kinderlachen, vermischt mit dem sturen Nnpf, Nnpf des Badeschlapfenmeisters. Noch sechs Sekunden. Tom war ein Crack. Er war der Beste hier auf dem Beachcourt. Seine muskulöse Erscheinung hatte er zusätzlich durch enganliegende Biker-Shorts unterstrichen. Er wusste, wie er posieren musste, um den vorderen Sägezahnmuskel (›musculus serratus anterior‹, auch ›The Great Pretender‹ genannt) dermaßen aus dem Brustkorb hervortreten zu lassen, dass zu dem unglaublichen Hulk oder den kampfbereiten Lieutenants aus den Ego-Shooter-Spielen nicht mehr viel fehlte. Tom ließ den Ball auf den Fingerkuppen kreisen. Dann umschloss er ihn mit der Hand, und die Kugel verschwand fast darin.
    »Samba, samba!«, rief ein glühender Verehrer des großen iSteve. Er formte mit beiden Händen über dem Kopf den bekannten Apfel.
    »Rumba, rumba!«, echote der Chor der Getreuen. Die Wörter samba (= geil) und rumba (= saugeil) hatten sich dieses Wochenende zu Modewörtern entwickelt, wie üblich wusste wieder einmal keiner, warum eigentlich. Tom hatte die These aufgestellt, dass die geflügelten Krafttanzausdrücke aus den Hüftschwüngen von Jeanette (persönliches Profil: 90 – 60 – 90 ) entstanden seien, die jeden Donnerstag bei einer Zumba-Fitness-Party ein paar Gramm abnahm. Die Steigerung von samba und rumba, das Nonplusultra, der krönende Abschluss war dann tango.
Samba! --- Rumba! --- Tango!!!
So klangen die Anfeuerungsschreie bei den drei Ballannahmen. Und bei tango wurde schließlich geschmettert.
     
    Noch fünf Sekunden. Der Schiri führte die Pfeife schon mal vorsichtshalber zum Mund. Schiri war natürlich Bastian Eidenschink (persönliches Profil: ehemaliger Klassensprecher). Niemand hatte ihn je Volleyball spielen sehen. Es gibt so Typen, die immer nur Schiedsrichter sind. Beruflich werden sie Mediatoren, Tierpsychologen oder Blechschadenschätzer für Versicherungen. Angefangen haben sie als Klassensprecher. Bastian Eidenschink war so einer. Noch vier Sekunden. Jetzt atmete er tief und demonstrativ ein und steckte die Pfeife in den Mund. Er verdrehte die Augen und machte ein ungeduldiges Zeichen mit der Hand. Tom warf den Ball hoch. Ein langgezogenes
--- ssssssssssamba! ---
ließ das Freibad erzittern. Drei Sekunden. Noch hatte er keine Ahnung, wie er den Ball schlagen würde. Er wollte sich erst im letzten Moment entscheiden. Es gab viele Möglichkeiten, einen Service ins jenseitige Lager zu senden: die aus dem Sprung geschlagene Peitsche. Die gemeinst und übelst angeschnittene Giftbanane. Die gelüpfte Samba-Splitterbombe. Natürlich gab es noch weitaus mehr Möglichkeiten, den Aufschlag zu versaubeuteln. Tom, der Volleyballfreak, wusste, dass die in dieser
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