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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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Erziehung, und erzog sich selbst dabei. Er fing die Wissenschaften an, und dichtete uns nebenbei indische Märchen vor, voll fremden Dufts und fremder Farben. Er predigte und lehrte nie, sondern sprach nur und erzählte uns, und gab uns Bücher. Wir lernten trotz Männern. Die Dichter las er vor. So wurden wir uns nach und nach, wie die Jahre vergingen, immer gleicher, und für Europa eine Art fremdländischer Schaustücke - aber das Herz, die Seele, glaube ich, hat er an den rechten Ort gestellt - nun, Sie kennen ja jetzt alle Drei. Einmal ging er wieder fort, und war zwei Jahre in Amerika. Als er zurückkam, und Angela wieder herrlicher und schöner fand, so erkor er sie zu seiner Braut; aber er sagte nichts zu ihr, sondern beschloß, daß sie nun noch mehr als früher unter Männer, wo möglich, bedeutsame käme, und etwa frei wähle. - Indeß begann er sie immer mehr und mehr zu lieben, ja, er lebte recht eigentlich um ihretwillen - sie liebte ihn auch unter allen Dingen dieser Erde am meisten; aber Emil behauptete immer, sie liebe ihn als
Bruder
. Da ihm ihr Glück das Höchste war, so wollte er ihre Freiheit und Unbefangenheit nicht im Geringsten beirren, sondern, um ihrem Herzen allen und jeden Raum zu geben, nahm er sich vor, nach Frankreich zu gehen, wo er ohnedieß Vermögensgeschäfte zu ordnen hatte, und mich mitzunehmen. Ich sage Ihnen, es war der schönste Augenblick meines Lebens, da ich diesen herrlichen Menschen Abschied nehmend vor Aston stehen sah, und ihn dringlich bitten hörte, er möge Angela lieben und schützen; er möge die besten und edelsten Männer in ihre Nähe führen, ob sie nicht Einen wähle, der es verstände ihres Herzens werth zu werden. Ich weinte; Aston tadelte ihn heftig, und da Alles nichts half, so schlug er Sie vor. Emil billigte es, und wir reisten. Ich hatte sehr gezürnt, als wir zurückkamen, und Angela in Schönbrunn Alles erzählte - noch mehr zürnte ich aber, da ich Ihre Abreise und Heftigkeit erfuhr. - Alle waren wir gegen Sie, nur Emil nicht, und was auch wir Alle - Angela war nie im Rathe - was auch wir Alle über Aufdringlichkeit und über Wegwerfung sagten: er dachte anders, und reiste Ihnen nach. - » Wen
sie
so lange geachtet hat,« sagte er, »der verdient nicht, daß man ihn so behandle und ohne weiters wegwerfe.« Und so hat er Sie gesucht, so hat er Sie gefunden - und so ist er nun entschlossen, Ihnen sein Liebstes zu geben.
    »Nun aber verzeihen Sie, daß wir Sie so lange in Hallstadt aufgehalten haben; wir liebten Sie wohl schon früher, aber durch Ihre Eifersucht geschreckt, bat ich den Bruder, daß er mir erlaube, hieher zu kommen, damit ich doch auch mit eigenen Augen sähe, an wen er unsere Angela hingeben wolle. Ich las durch Emil Ihr Tagebuch, und dieses tilgte den letzten bösen Funken, der in mir war - wie Ihnen ja die heutige Unterredung zeigt. - Sie sind ein
guter
Mensch, das genügt
mir
; was Sie sonst sind, mag die Männer angehen. Das Tagebuch ist bereits an Angela abgesendet - zürnen Sie nicht,
ich
habe es so angeordnet; denn unter uns ist es Sitte, daß unbeschränkte Aufrichtigkeit herrscht. Emil ist der beste und stärkste Mensch. Er opferte freudig jeden Anspruch; er liebt Sie, und will das Glück seiner
Schwester
gründen. Noch dürfte es Ihnen zum Verständniß dienen, daß mein Bruder der Graf Lorrel ist; Morus, Grafen von Lorrel waren unsere Vorfahrer, aber wir sind nur die Kaufleute Morus. In Wien ist man ohne unser Zuthun dahintergekommen. Es wird Ihnen jetzt auch ein gewisser Satz Ihres Tagebuches verständlich sein. In gewissem Sinne war sie immer Emils Geliebte.
    »Auch ihre Herkunft hat sich im vergangenen Sommer aufgeklärt, und Sie waren die eigentliche Veranlassung dazu. Sie ist die Zwillingsschwester der russischen Fürstin Fodor, der sie schon als Kind so ähnlich war, daß ihnen ihr Großvater kleine goldne Kreuzchen mit verschiedener Bezeichnung umhing, daß man sie unterscheiden könne. Die Fürstin wurde bei ihrem Großvater erzogen, dessen Liebling sie war, und dessen Erbin sie werden sollte; Angela aber, die, wie wir jetzt wissen, eigentlich Alexandra heißt, blieb bei den Eltern, und wurde auf jene unglückselige Reise mitgenommen, wo Beide ein so trauriges Ende nahmen. Man hielt in Rußland Angela für todt, und erst im vergangenen Sommer, da die Fodor den Schauplatz des Mordes ihrer Eltern besuchte, ersah sie aus den dortigen gerichtlichen Angaben,
daß
und
wo
ihre Schwester lebe. Sie fuhr sofort nach Wien, und
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