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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen
Autoren: Adalbert Stifter
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August.
    Es ist bereits der sechste Tag, daß wir in Hallstadt sind. Emil hat Instrumente in dem Wagen gehabt, und stellte manchmal physikalische Versuche an, während der Doctor und Isidor das Echo müde singen. Der Doctor bleibt immer noch hier, weil er in Natalie wirklich verliebt ist, und Isidor, weil ihm die ganze Sache Spaß macht.
    Lothar ist nie bei uns. Er malt den ganzen Tag, und bringt von seinen einsamen Wanderungen jeden Abend himmlischere Bilder. Er ist ordentlich verwandelt in dieser schönen Bergwelt; sein Angesicht ist verklärt, sein ganzes Wesen klingt und schwebt, und er spricht nie anders, als in Bildern.
    Gestern Abends vor Schlafengehen reichte mir Emil die Hand und sagte: »Wir sind im Klaren, Bruder; schenk' dem Eigensinne der Schwester noch ein paar Tage.« Er nennt mich öfter scherzweise Du, aber ich kann es nicht über das Herz bringen, ihn im Ernste darum zu bitten.
    O Titus! mir ist seltsam im Umgange dieser zwei Menschen, die so einzig trefflich sind. Emil ist überall hoch und schön, wie eine große ruhevolle Alpe: sie säugt Kräuter und Blumen, trägt wehende Wälder am Busen, und das leuchtende Gletschersilber; - doch weiß sie's nicht, und über ihr Haupt ist das schöne zarte Duftblau der Anmuth ausgegossen. Natalie ist dasselbe, nur als sei es noch durchsichtiger, wie von einer Seeesfläche zurückgespiegelt. In Wien, umgeben von den hunderttausend Lastern und Thorheiten der Leute, war ich oft selbst nicht gut; in diesen Landschaften, unter diesen Menschen wird mein Wesen immer klarer und fester, und selbst der sanfte Schmerz, der noch immer in dem Herzen sitzt, steht verschönernd drinnen, wie jene Thräne, die man oft mitten in Kristallen findet.
    Wenn es dem Doctor gelänge, Natalie zu gewinnen, so hat er in seiner Blindheit den Stein der Weisen gefunden. Er mag es fühlen; denn er wird immer scheuer gegen sie.
    Wir sind noch immer in Hallstadt, und es ist, als sollte das so fortwähren. Nicht eine Silbe sagte noch Natalie von Angela, und ich kerkere die Sache in meine Brust, wie in ein ehernes Schloß. - Lebe wohl! Morgen wieder zwei Zeilen.
    24. August.
    Heute Morgens nach neun Uhr saß ich mit dem Fernrohre auf dem Hallstädter Kirchhofe, und sah hinunter auf den See. Er warf nicht eine einzige Welle, und die Throne um ihn ruhten tief und sonnenhell und einsam in seinem feuchten Grün - und ein Schiffchen glitt heran - einen schimmernden Streifen ziehend. - Ich richtete das Rohr darauf, und sah - es war als träume ich - Aston mit seinen Mädchen sah ich. Fast ein Hinabstürzen war es von der Kirche in den Ort, und eben stiegen sie Alle aus - der alte Herr in meine Arme, jubelnd, freudevoll - Emma, lachend, sprang herbei und sagte, daß sie in ihrem ganzen Leben noch auf keinen Menschen so zornig gewesen sei, als auf mich - und Lucie reichte mir lächelnd die Hand, und schwieg und war freundlich, wie immer. Sie sind in Ischl, und werden noch vier Wochen dort bleiben. Wir traten Alle in die obere hölzerne Gaststube, die die Aussicht auf den See bietet, und nun ging es an ein Fragen und an ein Erzählen, und an ein Essen und Trinken -
und kein Wort von ihr
. Im Anschauen dieser geliebten Menschen und Freunde wurde mir Angela wieder so heiß lieb, wie in jenen schönen Tagen, ja, noch unendlich heißer und sehnsuchtsvoller; es ist, als könnte ich nicht leben, ohne sie nur einmal noch zu sehen. Jede Miene, jeder Laut, jeder Blick zog eine Reihe jener eingesunkenen Tage hervor, die so tief und so selig zurückstanden, als lägen schon Jahre dazwischen - aber heute kamen alle jene Tage wieder, und standen so lieb und altbekannt vor meinem Herzen.
    Hundertmal wollte ich fragen und hundertmal vermochte ich es nicht. Sie mußten mir es in den Augen lesen, aber Keines erwähnte ihrer. Ja, als es endlich Abend geworden, und sie alle abfuhren, und mich recht freundlich nach Ischl einluden, überwältigte mich fast der Unmuth; - ich ging auf unser Zimmer und in tiefem Schmerze lehnte ich die Stirne an das Fensterkreuz und starrte hinunter. - Der letzte Abend verglomm auf den Bergeshäuptern, und an ihren schwarzen Wänden hing bereits die Nacht. »Ist Ihnen unwohl?« fragte eine unsäglich sanfte Stimme hinter mir. Emil war es, der schöne Mensch, und nie glichen seine Augen so sehr denen eines Engels. - »Nichts ist mir,« antwortete ich, »als Ihr thut mir Alle zu sehr weh.« - »Wir werden es nun nicht mehr thun!« sagte er sehr sanft, und bat mich, ihn auf einer Nachtfahrt auf
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