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Feine Milde

Feine Milde

Titel: Feine Milde
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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verschwunden.
    »Flitz du nur«, lächelte Toppe leise.
    Es war der erste Urlaub, seit er sich von Gabi getrennt hatte, den er mit seinen beiden Söhnen und mit Astrid verbrachte. Sein Kollege Ackermann hatte ihm diesen Campingplatz empfohlen und ihm netterweise auch gleich sein großes Familienzelt geliehen.
    Dieser Platz war genauso, wie Toppe es mochte. Er lag schattig im Pinienwald, direkt hinter der Düne und war wohltuend einfach; ohne Pool und Animation, einfache Duschen, keine Parzellen, kein Strom. Das bedeutete, nirgendwo protzige Wohnmobile mit Satellitenschüssel, kein Fernseher, keine plärrenden Kassettenrecorder. Die Leute hier waren – ja, was? Toppe schwankte zwischen »unkonventionell« und »angenehm normal«. Egal, die meisten kamen offenbar seit Jahren gern immer wieder hierher. Die üblichen Verbrüderungen, die Toppe sonst so kannte, blieben trotzdem aus. Das einzige, was ihn vielleicht ein bißchen störte, waren die vielen Kleinkinder, die ihm ständig vor die Füße taumelten, ihn am Strand mit Sand bepuderten oder ihn frühmorgens mit fröhlichem Gejauchze aus dem Schlaf holten. Dem Alter, wo man so was gelassen hinnahm oder es manchmal sogar genoß, war er offensichtlich entwachsen.
    Oliver fand es »super« hier; er war ständig mit irgendwelchen Jungsbanden im Wald unterwegs, trieb sich in den Dünen rum, um »Pärchen zu belauern«, machte Kletterübungen an den Bunkern, war bei der »Spielhölle« oder bei improvisierten Pétanqueturnieren.
    Christian hingegen, den Toppe jetzt gerade den Weg heraufschlendern sah – sehr langsam, sehr cool –, boykottierte jegliche Harmonie. Er war mittlerweile sechzehn, und die ganze erste Urlaubswoche hatte er sich in seinem Soloiglu vergraben, war nicht einmal mit zum Strand gekommen. In den letzten Tagen allerdings war er am Zelt nur noch selten anzutreffen. Offensichtlich hatte er ein paar Gleichgesinnte in »diesem öden Haufen« gefunden, und seitdem bekam Toppe ihn höchstens bei den Mahlzeiten zu Gesicht.
    Er sah seinen Ältesten in das Iglu kriechen und zwei Minuten später wieder rauskommen – frische Jeans, frisches T-Shirt.
    Toppe deckte weiter den Tisch. »Was trinkst du zum Essen?« fragte er. »Cola?«
    »Kein Bock auf Essen. Ich geh ins Paradou.«
    Toppe liebte diesen Tonfall. »Du wirst heute mit uns essen, mein Sohn. Hinterher kannst du von mir aus in diese Strandkneipe.«
    »Scheiße!« Der Rest des Kommentars ging im Geräusch unter, mit dem Christian den Reißverschluß an seinem Iglu zuzog.
    Toppe riß sich zusammen, setzte sich und schob seinem Sohn einen Stuhl hin.
    »Und? Was gibt’s so im Paradou?« fragte er freundschaftlich. »Hast du ein Mädchen kennengelernt?«
    Christian erstarrte. »Weiber!« schnaubte er, puterrot bis zum Hals, der Blick wie eine Mauer.
    »An was anderes kannst du wohl nicht denken?«
    Toppe runzelte verblüfft die Stirn.
    »Ich hab euch heute in den Dünen vögeln sehen«, rotzte der Junge verächtlich.
    Sein Vater schaute ihn unbehaglich an, nickte dann und grinste schließlich. »Ja. Und?«
    »Ich find’s widerlich!«
    »Bist du verrückt geworden?« Toppe war aufgesprungen, aber für seinen Sohn gab es jetzt kein Halten mehr.
    »Meinst du, ich kriege das nicht mit, daß du sie jede Nacht fickst? Jeder kriegt das mit! Ihr seid ja nicht mal leise. Gestern morgen habt ihr um halb sechs den ganzen Campingplatz geweckt. Es ist peinlich. Und es ist ekelhaft, wie du sie benutzt, wie, wie eine …«
    Toppe holte aus, aber in diesem Moment schoß Astrid um die Ecke und knallte die volle Einkaufstasche auf den Tisch.
    »Ich habe nicht gelauscht«, sagte sie ruhig und sah von einem zum anderen, »aber man konnte noch fünf Zelte weiter jedes Wort verstehen. Ich würde gern etwas richtigstellen, Chris.«
    Der Junge hielt seinen Blick auf eine Pinie in fünf Metern Entfernung gerichtet. Toppe war immer noch blaß vor Wut. Astrid strich ihm zärtlich durchs Haar. »Er fickt mich übrigens nicht, wie du es ausdrücktest. Wir schlafen miteinander, oder vielleicht ist »Liebe machen« der bessere Ausdruck. Und was das Benutzen angeht …« Sie hielt inne, als jetzt Oliver um die Ecke kam, und tippte Christian auf die Schulter. »Komm, laß uns ein Stück durch den Wald gehen. Wir müssen mal ein paar Dinge miteinander klären.«
    Er sah sie widerstrebend an, folgte ihr dann aber.
    »Mann! Was war denn hier wieder für ’n Streß?« schimpfte Oliver. »Der wird echt jeden Tag bekloppter. Total uncool, der
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