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Feine Milde

Feine Milde

Titel: Feine Milde
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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hatte zwar hühnereigroße Hagelkörner gebracht, aber keinerlei Abkühlung.
    Günther Breitenegger ging langsamer als sonst. Er dachte an einen Urlaub auf Sri Lanka, vor vielen Jahren, als die Insel noch Ceylon hieß. Die Menschen dort bewegten sich sparsam; sie gingen mit vorgeschobenem Becken, langsam und geschmeidig in der Hitze. Hier waren die Leute nicht daran gewöhnt; ihr Arbeitsalltag verlief mit der gleichen Hektik wie immer. Entsprechend gereizt gingen sie miteinander um. Auch im Präsidium war die Luft in den letzten Tagen zum Schneiden dick gewesen. Kein Wunder: in dieser schlecht isolierten Pappschachtel setzte man im Winter Eiszapfen an, und jetzt wurde man lebendig gebraten. Und von Sommerloch konnte in diesem Jahr keine Rede sein. Den ganzen Tag bimmelten die Telefone, lauter Kleinkram, der aber auch erledigt werden wollte und mit Rennerei verbunden war. Jeder motzte jeden an. Besonders van Appeldorn ging ihm auf die Nerven. Breitenegger war froh, wenn der nächste Woche in Urlaub fuhr und Toppe mit Astrid aus Frankreich zurückkam.
    Franz-Josef hechelte laut. Es wurde Zeit, nach Hause zu fahren; sie mußten beide dringend was trinken. Als er aus dem Wald auf die Straße trat, nahm er den Hund an die Leine.
    Rechts am Rand parkte im Gebüsch ein dunkelgrauer Transporter mit holländischem Kennzeichen. Breitenegger nickte dem jungen Mann, der an der Fahrertür lehnte, freundlich zu, aber der sah auf seine Füße. Auch gut! Franz-Josef zerrte an der Leine; er wollte zum Auto zurück. Ein Mann kam ihnen entgegen mit wehendem Haar und tippte sich grüßend an die Stirn.
    »Langsam, junger Mann«, lachte Breitenegger. »Ist doch viel zu heiß.«
    Der Mann blieb stehen und schnaufte. »Ja, was muß ich denn tun?« Er hatte einen starken holländischen Akzent.
    »Die Auto ist kaputt. Ich mußte telefonieren gehen um Hilfe.« Dabei holte er ein Päckchen Tabak aus der Hosentasche und fing an, sich eine Zigarette zu drehen.
    Breitenegger deutete fragend auf das Handy.
    »Ach, dat Dingen! Wir haben hier eine Funkloch.«
    »Ausgerechnet!« meinte Breitenegger und lehnte dankend den Tabak ab, den der Holländer ihm hinhielt.
    »Kriegen Sie denn jetzt Hilfe, oder soll ich …?«
    »Nein, nein, das wird schon klar gehen. Es kommt sobald jemand. Wat is er an de hand?« brüllte er seinem Kumpel zu, der heftig winkte. Es kam keine Antwort. Der Rothaarige zuckte die Achseln und lächelte Breitenegger freundlich an. »Ich will dann mal gehen. Vielleicht hat er die Fehler gefunden.«
    Sie verabschiedeten sich.
    Der Dunkle wartete neben der Tür zum Laderaum.
    »Was ist denn los?« fragte der Rote. Der andere schwieg.
    »He, es ist alles in Ordnung, Mann. Ich habe mit ihm gesprochen. Er kommt bald.«
    Der Dunkle zeigte auf die Kartons. »Guck selbst.«

    Als Breitenegger das Auto hinter sich hörte, nahm er den Hund kürzer an die Leine; die Straße war schmal. Reifen quietschten, aber er schaffte es nicht mehr, sich umzudrehen. Ein ungeheurer Schlag traf seine Kniekehlen, er wirbelte durch die Luft und krachte mit dem Hinterkopf auf den Asphalt.
    Der Rothaarige knallte die Wagentür zu und rannte los. Nach ein paar Metern blieb er stehen. Zwei Männer sprangen aus dem Auto, beugten sich über den Verletzten, liefen wieder zum Wagen, setzten ein Stück zurück und fuhren zur Hauptstraße. Der Mann mit dem Hund lag ausgestreckt auf dem Rücken und bewegte sich nicht.
    Mit bleichem Gesicht drehte der Rote sich um. »Laß uns bloß hier abhauen!«

2
    Walter Heinrichs weinte.
    Die Kollegen von der Schutzpolizei hatten das K 1 sofort per Funk verständigt, und so war die Nachricht von Breiteneggers Tod gerade in dem Moment gekommen, als sie für heute Feierabend machen wollten.
    Van Appeldorn fuhr schnell. Seine Lippen waren schmal, sein Gesicht noch magerer als sonst. Es fiel ihm nicht leicht, Gefühle zu zeigen. Er war neununddreißig Jahre alt, verheiratet, hatte zwei Kinder, aber er wirkte eher wie ein Junggeselle mit seinem Kegelklub, den Kneipenabenden und dem Altherrenfußball. Er war lang, schlaksig, schaffte es, immer ein wenig gelangweilt auszusehen, und hatte eine schnodderige Art, besonders Frauen gegenüber, womit er sich nicht selten Schwierigkeiten einhandelte. Doch es gab auch eine andere Seite: den Erziehungsurlaub für die jüngste Tochter hatte er sich mit seiner Frau geteilt, und in seiner Freizeit half er in ihrem Laden mit, aber das wußten nicht einmal seine Kollegen. Über Privates sprach er selten,
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