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Feine Milde

Feine Milde

Titel: Feine Milde
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Motor anließ.
    »Nur eine Telefonnummer. Liegt auf meinem Schreibtisch. Kannst du französisch?«
    »Dafür wird’s reichen.«

3
    »Ich möchte Sie heute alle recht herzlich zu unserer ordentlichen Mitgliederversammlung begrüßen …« Weiter kam Bärbel Peters, die erste Vorsitzende der MEILE e.V., nicht.
    Heiderose Jansen hob die Hand, wartete aber nicht, bis ihr das Wort erteilt wurde. »Ich stelle den Antrag auf Rauchverbot!«
    Das war sicherlich eine vernünftige Idee, denn obwohl alle Fenster weit geöffnet waren, stand die Hitze dick und stickig im Kneipensaal. Trotzdem wurde vereinzelt gemurrt; vielleicht lag das am Gouvernantenton, in dem die Schriftführerin ihren Antrag gestellt hatte. Die langen Tische waren in Hufeisenform aufgestellt; an der Stirnseite saß der Vorstand – bis auf Heiderose Jansen. Sie hatte es vorgezogen, unter den Mitgliedern an der rechten Tischreihe Platz zu nehmen.
    Bärbel Peters bat um Ruhe. »Der Vorschlag erscheint mir sinnvoll. Ich finde, wir können zwischendurch ja mal eine Rauchpause einlegen. Lassen Sie uns darüber abstimmen.«
    Der Antrag wurde mit zwei Gegenstimmen angenommen; auffällig war die Zahl der Enthaltungen auf der linken Seite des Hufeisens.
    Die Vorsitzende verlas die Tagesordnung. »Leider hat sich unser Geschäftsführer, Herr Maywald, verspätet. Möglicherweise muß ich den Kassenführer bitten, den Jahresbericht vorzutragen.«
    Der zweite Vorsitzende beugte sich zu ihr hinüber und flüsterte ihr etwas zu. Sie nickte. »Es wird hier gerade der Vorschlag gemacht, die Reihenfolge der Tagesordnung zu ändern und den Geschäftsbericht an Punkt 4 zu stellen.«
    Heiderose Jansens Hand schnellte in die Höhe. »Ich kann den Vorschlag nur unterstützen. Eine Menge von uns findet, daß es wesentlich Wichtigeres zu besprechen gibt als schnöde Zahlen.« Auf ihren Wangen zeichneten sich zwei scharf begrenzte rote Flecken ab.
    Die Zustimmung, die rechts und links von ihr laut wurde, war zu vehement, um spontan zu sein.
    Bärbel Peters entdeckte mehrere Vereinssatzungen auf dem Tisch an der rechten Seite und hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Noch während sie ihre nächsten Worte überdachte, kam Jens Maywald, einen dicken Packen Papiere unter dem Arm, hereingehastet und drängte sich zum Vorstandstisch durch.
    »Na prima«, lachte Bärbel Peters, »dann brauchen wir die Tagesordnung doch nicht umzustellen.«
    »Ich dachte«, rief Heiderose Jansen, »ich hätte deutlich gesagt, daß es Wichtigeres zu besprechen gibt.«
    Mehrere Mitglieder applaudierten laut. Jens Maywald sah sich irritiert um und setzte sich. »Übrigens«, meinte er so laut, daß es jeder im Saal hören konnte, »draußen stehen zwei Leute von der Presse, die angeblich eingeladen worden sind.«
    Die Vorstandsleute sahen sich erstaunt an und schüttelten einhellig den Kopf.
    Ein ungepflegter Enddreißiger mit fusseligen blonden Haaren, den Bärbel Peters seit der Vereinsgründung nicht mehr gesehen hatte, erhob sich langsam neben Heiderose Jansen und grinste lässig. »Ich habe mir erlaubt, die Damen und Herren von der Presse zu informieren. In diesem Zusammenhang weise ich auf § 7 der Satzung hin, nach dem die Sitzungen des Vereins öffentlich sind. Und keiner von uns hat doch etwas zu verbergen, oder?« Genüßlich ließ er seinen Blick über den Vorstand schweifen.
    Spätestens jetzt hatte auch das unbedarfteste Vereinsmitglied kapiert, daß etwas im Busch war. Endlich rührte sich auch der linke Tisch. Mehrfach konnte man das Wort »Kindergarten« hören, und Frau Salzmann-Unkrig verlangte kühl »etwas mehr Vernunft«.
    Es war Heino Müller, der zweite Vorsitzende, der entschieden um Ruhe bat und auf strikter Einhaltung der Tagesordnung bestand. Es folgten fünfundfünfzig Minuten öder Routine – Geschäftsbericht, Kassenbericht, Bericht der Kassenprüfer – aber die Spannung im Raum war die ganze Zeit greifbar.
    Mit stoischer Ruhe schob sich der Kellner durch die Reihen, nahm Bestellungen auf, brachte Wasser, Kaffee, Saft, am linken Tisch auch Bier und Cola, setzte seine Striche auf die Bierdeckel.
    Bärbel Peters hatte den Punkt 3 der Tagesordnung »Vorbereitung der Zehnjahresfeier« noch nicht ganz vorgelesen, als sich bereits sechzehn Leute zu Wort meldeten. Heiderose Jansen hatte die Hand als erste oben gehabt und wartete auch diesmal nicht auf das Nicken der Vorsitzenden. Beim Sprechen blickte sie immer wieder auf den kleinen Zettel, der vor ihr auf dem Tisch
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