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Feind aus der Vergangenheit

Feind aus der Vergangenheit

Titel: Feind aus der Vergangenheit
Autoren: Stefan Wolf
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großen Schein über den Tresen. Als Spende für die
Kaffeekasse. Dann machen sie dir den Paß bis morgen. Flieg nach Kreta, bleib
drei Wochen dort. Bevor du zurückkommst, rufst du Mehlspeise an. Alles klar?“
    „Klarer geht’s nicht.“
    „Schönen Urlaub!“
     
    *
     
    Ein blauer Himmel wölbte sich
über der Stadt, die fernen Berge leuchteten in sattem Grün.
    Korf hatte Mehlspeise angerufen
und sich mit ihm verabredet: vor dem Bahnhof, wo Henry Spähtvolger im Wagen
warten sollte.
    Korf begab sich fußläufig
dorthin. Noch bestand keine Gefahr, daß ihn irgendwer erkannte. Denn sein
Phantombild war noch nicht in der Zeitung. Außerdem hatte er sich mit einer
Sonnenbrille getarnt.
    Vor dem Bahnhofsgebäude hielt
er Ausschau nach Mehlspeise, aber dessen Fahrzeug war nirgends zu sehen.
    In der Halle, wo in einer Ecke
der Fotoautomat stand, drängten sich Menschen in beängstigender Zahl:
Rucksacktouristen, Müßiggänger, Penner, Reisende.
    Korf setzte sich in die
Fotokabine.
    Und dann gleich zur Behörde!
dachte er. Damit die Typen mir den Paß noch heute machen können.
    Der Verbrecher warf Geld in den
Münzschlitz und grinste in den Spiegel. Vier Blitze zuckten. Dann hieß es
warten. Sieben Minuten würde es dauern, wie er wußte, bis die Fotos entwickelt
waren.
    Er lungerte vor dem Automaten
herum. Noch fünf Minuten.
    Er schlenderte zum Kiosk. Noch
vier Minuten.
    Er schlenderte vorbei an
Boutiquen. Noch drei Minuten.
    Dann wollte er zurück zum
Automaten.
    Zwei Schritte. Er verharrte.
Und für einen Moment wurde ihm kochend heiß unterm Hemd.

3. Entführt am hellichten Tage
     
    Tim mußte als erster einsteigen
in das Winzlings-Auto, öffnete also die rechte Tür, blieb gebückt, faltete sich
zusammen wie ein Schlangenmensch und kugelte mehr, statt daß er sich schob, in
den Fond, wo ihn eine schmale Sitzbank empfing.
    „Du bist einfach zu groß für
meinen Floh“, sagte Karin.
    „Jedenfalls bleibe ich
gelenkig“, lachte der TKKG-Häuptling.
    Susanne quälte sich auf den
Beifahrersitz. Dort war etwas mehr Platz. Karin glitt mühelos hinters Lenkrad
und begutachtete im Rückspiegel, wie Tim sich eingerichtet hatte. Steil ragten
seine Knie auf, rechts und links vom Gesicht. Indem er die Arme um die Beine
schlang, konnte er in dieser Haltung verharren.
    Sie fuhren zum Hauptbahnhof:
Platzkarten besorgen. Paßfotos machen. Dann wollte Karin noch zu einer
Änderungsschneiderin, weil an mehreren Röcken von Größe 36 der Taillenbund zu
weit war.
    Alles das mußte sein. Aber Tim
wollte nicht daran teilnehmen, sondern sich das Kriminalmuseum ansehen. Es war
nur zehn Minuten entfernt; und ansehen mußte er sich’s allein, denn die beiden
Damen verspürten keinerlei Neigung wegen der wirklich grausigen Requisiten (Gerät,
Zubehör) und Nachbildungen, die man dort ausgestellt hat.
    Später wollten sich die drei in
einem Café am Opernplatz treffen.
    Karin fuhr also zum Bahnhof. Es
gab einen Parkplatz. Sie fand eine Lücke, die viel zu groß war für das
Wägelchen, stellte es dort ab; und die drei stiegen aus.
    „Damit verabschiede ich mich
erst mal“, meinte Tim, küßte beide auf die Wange und trollte sich die
Bahnhofsstraße hinunter, nicht ahnend, wie dringend nötig seine Anwesenheit
hier bald gewesen wäre.
    An der Ecke sah er noch mal
zurück. Wie erwartet, Karin und Susanne standen vor dem Portal, blickten ihm
nach und erwiderten jetzt sein Winken.
    Er trabte weiter.
    Mal sehen, dachte er, was das
Horror-
    Kabinett bietet. Die haben dort
alles zusammengetragen, was diese Gegend hervorgebracht hat an grauslichen
Tätern während der letzten 150 Jahre. Massenmörder. Echte Berühmtheiten.
Gräßlich!
     
    *
     
    Susanne zog ihre Freundin am
Ärmel zur Seite. In der Nähe des Portals lümmelte ein Pärchen auf dem Boden, um
das man lieber einen Bogen machte.
    Er war ein Schlägertyp von etwa
20, stämmig, in Lederjacke — mit Tätowierungen im Gesicht. Den Schädel hatte er
sich ehemals kahlgeschoren. Aber jetzt waren die Haare nachgewachsen und etwa
so lang wie an einer Zahnbürste.
    Neben dem Typ saß ein Mädchen.
Ihr Haar war teils lila, teils grün eingefärbt — und das war absolut das
schönste an dieser in schwarzes Leder gehüllten Maid.
    Die beiden pöbelten Passanten
an mit unflätigen Reden.
    „Heh, alter Stinker“, hörte
Susanne den Burschen. „Schieb ‘ne Handvoll Knete rüber! Dann beten wir für
dich. Sonst kriegste ‘nen Tritt.“
    Der alte Mann ging rasch
vorbei, scheinbar ohne
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