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Feind aus der Vergangenheit

Feind aus der Vergangenheit

Titel: Feind aus der Vergangenheit
Autoren: Stefan Wolf
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einzuwechseln.
    Damit fing alles an.
     
    *
     
    Lothar Korf war 29, und als
sein Gesicht gemacht wurde, hatte ein Geier Modell gestanden.
    Jetzt hatte Korf eine
Strumpfmaske über Kopf und Gesicht gezogen und schwitzte fürchterlich darunter,
teils auch aus Nervosität.
    In der rechten Hand hielt er
eine schwere Pistole. Mit der fuchtelte er herum, richtete die Mündung mal auf
die Bankkunden, mal auf die blassen Gestalten hinter den Schaltern.
    Die Szene spielte sich ab im
Bankhaus Oversoll.
    „Überfall!“ hatte Korf
gebrüllt. Und hinzugefügt, weil er Reklame machen wollte für seinen Verein:
„Dies ist ein Überfall der Neroisten. Wir sind eine terroristische Vereinigung
— die Vernichtung der Staatsgewalt ist unser Ziel.“
    Das hätte er nicht erklären
müssen. Er war bekannt aus der Presse.
    Jetzt stand Korf vor dem
Kassenschalter, fuchtelte mit der Waffe und schob einen Leinenbeutel durch die
Öffnung im Panzerglas. Der Beutel trug den Aufdruck: Seid lieb zueinander -
wie die Streicheltiere im Zoo!
    „Vollmachen!“ raunzte Korf den
Kassierer an und meinte damit, der solle den Beutel füllen mit Geld, mit
Schillingen.
    Der Kassierer hatte kleine
Blinzelaugen. Er zitterte und tat, wie ihm geheißen.
    Hinter Korf in der
Schalterhalle standen vier Kunden, schreckensstarr. Alles Männer.
    Einer von ihnen, ein bulliger
Typ, hatte schon dem Alkohol zugesprochen, obwohl der Tag noch jung war.
    Wie man weiß, macht Alkohol
dumm, aber auch mutig. Manchmal sogar tollkühn, was wiederum mit Dummheit zu
tun hat.
    Jedenfalls fühlte sich der
Bullige plötzlich an seiner Ehre gepackt und wollte den Helden spielen.
    Mit einem Schrei und den
Worten: „Verfluchter Torrerorist!“ — er rief tatsächlich ,Torrerorist’ —
stürmte er an wie der Stier gegen den Stierkämpfer.
    Korf war völlig überrascht.
Dann riß er die Pistole hoch und ballerte los.
    Die Kugel traf den Bulligen in
die Schulter, wirbelte ihn herum und zu Boden, wo er liegenblieb, stark blutend
und total außer Gefecht gesetzt.

    Panik brach aus. Die
Bankkauffrauen schrien. Der Kassierer brach sich einen Finger, als er den
geldgefüllten Leinenbeutel durch die Öffnung stieß. Die drei unverletzten
Bankkunden warfen sich zu Boden. Nicht um dem Verletzten zu helfen, sondern um
ihre Ergebenheit zu zeigen. Ein Bankkaufmann trat auf den Alarmknopf, und
draußen vor dem Portal heulte die Sirene los.
    Scheiße! dachte Korf.
    Er riß den Beutel an sich und
rannte hinaus.
    Der Vorraum war leer.
Jedenfalls auf den ersten Blick. Weg mit der Pistole! Mit der in der Hand
konnte er nicht zum Wagen rennen.
    Korf stopfte die Waffe unter
seinen Blouson und zerrte sich die Strumpfmaske vom Kopf.
    Erst in diesem Moment bemerkte
er die Frau.
    Sie hatte sich in eine Ecke
gepreßt, eher abwartend als ängstlich. Korf grinste sie an. Was anderes fiel
ihm nicht ein. Dazu war’s auch schon zu spät. Denn die Frau sah sein Gesicht,
das an einen Geier erinnerte.
    „Küß die Hand, gnädige Frau!“
murmelte Korf und dachte noch im Hinausrennen: ist die aber hübsch.
    Womit er recht hatte: hübsch,
38Jahre alt, mit braunem Haar und liebem Gesicht, auf dem jetzt natürlich ein
entsetzter Ausdruck lag.
    Denn es kommt ja nicht jeden
Tag vor, daß Susanne Carsten, Tims Mutter, einen Bankräuber aus der Nähe
erlebt.
    Korf rannte hinaus und über die
Straße zum Fluchtwagen, der mit laufendem Motor wartete.
    Henry Spähtvolger saß am
Lenkrad. Korfs Komplice hatte den Spitznamen ,Mehlspeise’, wie man in
Österreich Kuchen und Torten nennt. Der Spitzname rührte her aus Henrys
Vorliebe für diese Art der Ernährung. Er besaß Pausbacken und eine ziemlich
klumpige Figur, war aber trotzdem gefährlich, nämlich absolut rücksichtslos.
    Korf warf sich in den Wagen.
Die Sirene heulte. Henry, genannt Mehlspeise, preschte los.
    „Eine Frau“, keuchte Korf, „hat
mich gesehen. Ohne Maske. Ich mußte schießen.“
    „Auf die Frau?“
    „Auf ‘nen Kerl, der mich
anfiel. Aber die Frau kann mich beschreiben. Herrgott! Hoffentlich ist sie
kurzsichtig.“
    „So ein Elend!“
    „Wenn sie mich den Bullen
beschreibt — dann, dann haue ich ab. Dann verlege ich meinen Wohnsitz nach
Deutschland.“
    Mehlspeise lachte auf und zog
den Wagen in eine Seitenstraße, wo er einer Oma an der Bordkante fast die Zehen
rasierte.
    „Den Wohnsitz verlegen — das
nützt überhaupt nichts. Wenn sie dich am Arsch kriegen, dann bist du dort
genauso dran wie hier. Außerdem kennst du dich hier besser
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