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Feind aus der Vergangenheit

Feind aus der Vergangenheit

Titel: Feind aus der Vergangenheit
Autoren: Stefan Wolf
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achtete, sondern froh ist, wenn einen der Nachbar in Ruhe
läßt. Hier fühlte der Verbrecher sich sicher. Aber nur hier. Denn jetzt saß ihm
die Angst im Nacken. Wie genau konnte die Zeugin ihn beschreiben? Würde man ihn
auf der Straße erkennen?
    Korf war Single und lebte
allein. Er nannte sich arbeitslos, hatte aber immer die Taschen voller Geld.
    Es war früher Nachmittag. Korf
hatte Spiegeleier mit Bratkartoffeln verzehrt und nachgedacht über seine
Situation. Er kam zu keinem Ergebnis, er war Denken nicht gewöhnt. Im
allgemeinen überließ er das Nero, dem Chef. Wer das war, wußte Korf nicht. Auch
Henry Spähtvolger, genannt Mehlspeise, hatte keine Ahnung.
    Die beiden waren
Kleinkriminelle gewesen mit mehr Glück als Verstand, nämlich noch nie erwischt
worden, hatten sich durchgeschlagen als Einbrecher, Diebe, Schuldeneintreiber
und Türsteher vor anrüchigen Lokalen. Ein gefährliches, aber wenig
einträgliches Dasein. Bis eines Tages das Telefon klingelte und sich ein
Unbekannter meldete — mit harter metallischer Stimme.
    Er nannte sich Nero. Er hatte
eine Organisation aufgezogen, die er ausdehnen wollte über ganz Europa: ein
dichtes Netz, fein gesponnen von seinen Leuten. Die warb er überall an. Harte
Jungs, wie er sagte, die nicht viel fragten, sondern handelten. Natürlich nach
seinen Weisungen.
    Als Terrorist gab er sich erst
beim zweiten Anruf zu erkennen, anderntags. Aber Korf und Mehlspeise hatten
schon zugesagt und sahen auch keinen Grund, das dann zurückzuziehen. Auch
nicht, als sie hörten, wie hochfliegend Neros Ziele waren. Wollte er doch nicht
weniger als die Macht des Staates brechen und ein allgemeines Chaos auslösen,
aus dem dann eine neue Ordnung hervorgehen sollte.
    Wie die aussehen würde, darüber
sagte er nichts.
    Korf war das gleichgültig,
Mehlspeise hätte vermutlich nicht einmal hingehört.
    Interessant für die beiden war,
daß Nero hinfort Banküberfälle ausbaldowerte. Und zwar so, daß die Sache immer
glattlief. Wie, wo und wann — das teilte er telefonisch mit.
    Von der Beute durften sie die
Hälfte behalten, die anderen 50 Prozent ließ er sich übergeben: nachts, auf
Hinterhöfen, in unbeleuchteten Parks oder Gassen. Sein Gesicht zeigte er dabei
nie. Korf und Mehlspeise konnten lediglich sagen, daß es sich um einen
hochgewachsenen Mann handelte: schlank, immer im Mantel und die Hutkrempe tief
ins Gesicht gezogen.
    Für die beiden Ganoven brach
eine wohlständige Zeit an, und sie folgten gern Neros Weisung, bei jedem
Überfall lauthals zu brüllen, daß es sich um eine Aktion der Neroisten handele
— mit dem Ziel, den Staat zu erschüttern.
    Korfs Telefon klingelte.
    Er schrak zusammen, nahm dann
ab und meldete sich.
    „Ich bin’s“, sagte Nero, und
seine Stimme klang, als wäre er nebenan. „Habe eben mit Mehlspeise gesprochen.
Er hat mir alles erzählt. Daß die Frau dein Gesicht sah, ist eine Katastrophe.“
    „Es... lag an der verdammten
Maske. Die Sehschlitze sind zu schmal. Ich habe nicht mitgekriegt, daß dort wer
in der Ecke stand. Und weil ich mit der Maske nicht über die Straße laufen
konnte, habe ich sie abgenommen.“
    „Leider zu früh.“
    „Tja.“
    „Sie wird dich beschreiben. Und
dein Geier-Gesicht ist verdammt einprägsam.“
    „Nero, was soll ich denn
machen? Ich habe nur die eine Visage, und von einer Schönheitsoperation halte
ich nicht viel.“

    „Du mußt erst mal verschwinden.
Nicht nur aus der Stadt, sondern raus aus dem Land. Hast du Geld?“
    „Es reicht für eine Weile.“
    „Gut. Wahrscheinlich wird dein
Phantombild morgen in der Presse veröffentlicht. Dann ist höchste Vorsicht
geboten. Aber nach ein, zwei Wochen fragt kein Aas mehr danach, und dein
Gesicht ist vergessen.“
    „Und wo bin ich solange?“
    „Such dir ein fernes
Urlaubsziel aus. Auf den griechischen Inseln, zum Beispiel auf Kreta. Dort ist
jetzt noch Badewetter.“
    „Kreta würde mich reizen.“
     
    „Du buchst sofort und haust ab
so schnell wie möglich.“
    „Wenn du meinst, Chef.
Dann....“ Er stockte.
    „Was ist?“
    „Verdammt, mein Reisepaß ist
abgelaufen. Einen Ausweis besitze ich gar nicht.“
    „Laß den Paß verlängern.“
    „Geht nicht. Er wurde schon
zweimal verlängert. Ich war bei der Behörde. Ich kriege einen neuen. Die... oh,
Scheiße.“
    „Was jaulst du?“
    „Die brauchen Paßbilder von
mir. Ich sollte sie längst hinbringen. Hab’s vergessen. Und jetzt...“
    „Bring ihnen die Fotos. Und
schieb unauffällig einen
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