Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss
Autoren: Anna Geller
Vom Netzwerk:
ihn an, während Hellwein nach draußen lief, um
über Funk das Nötige zu veranlassen.
    Anne begleitete sie bis zur Tür, wo Chris die Strickjacke abstreifen
wollte. Aber Anne hielt ihn mit einer Handbewegung zurück. „Lass!“, sagte sie.
„Gib sie mir Sonntag. Es bleibt doch dabei?“
    Sonntag? Die Geburtstagsfeier von Hans im kleinen Kreis, sicher. Wieso
ausgerechnet er zu diesem kleinen Kreis gehörte, war ihm schleierhaft. Er
nickte geistesabwesend und dachte plötzlich, dass er noch nie im Leben so müde
gewesen war. Er wollte jetzt nur noch nach Hause, sich betrinken, schlafen,
vergessen. — Susanne räusperte sich ungeduldig.
    Hellwein tauchte neben ihm auf. „Soll ich fahren?“ Auffordernd
streckte er seine Hand nach den Autoschlüsseln aus. Aber Chris winkte ab und
ging energischer zu seinem Wagen als er sich fühlte.
     
    An der üppigen Kastanie am Straßenrand erkannte Chris die Einfahrt
wieder, in der er geparkt hatte und blieb stehen. Susanne hielt gleich hinter
ihm. Aus der entgegengesetzten Richtung kamen zwei Streifenwagen und der graue
Kastenwagen der Spurensicherung heran.
    Es regnete nicht mehr, aber dafür wehte jetzt ein eisiger Wind und
Chris fröstelte, als er ausstieg. Vom „Wonnemonat“ war in dieser Nacht wirklich
nichts zu fühlen.
    Er zeigte Susanne die Hauswand, an der Ingeborg Lautmann
zusammengesunken war. Immer noch verpulverte „Frielingsdorf KG,
Autolackiererei“ blaue Energie.
    „Ist sie dir hier auch vor den Wagen gerannt?“, fragte Susanne. „Ich
meine, auf gleicher Höhe der Straße?“
    „Ja! … Das heißt, ich glaube es!“ Chris fing sich einen vorwurfsvollen
Blick ein. „Mensch! Es war mitten in diesem Unwetter. Es kann genauso gut zehn
Meter davor oder dahinter gewesen sein. Ich bin ja froh, dass ich sie überhaupt
gesehen hab!“
    „Hat dein Wagen sie berührt?“
    Entschieden schüttelte er den Kopf. „Nein! Ich hatte noch nicht mal
richtig angehalten, da war sie schon vorbei.“
    „Aber sie kam von der anderen Straßenseite?“
    „Ich … ich nehme es an.“
    „Hast du mit ihr gesprochen?“
    Chris starrte die Hauswand an und sah wieder die riesengroßen Augen
und den Schmollmund vor sich. „Ja“, antwortete er dann. „Sie wollte nicht ins
Krankenhaus. Sie hat gesagt: `Sie finden mich´.“
    „Mehrzahl! Bist du sicher, dass sie in der Mehrzahl gesprochen hat?“
Die Kommissarin bohrte ihre rechte Schuhspitze an die Bordsteinkante. Eine
Windbö fuhr in die Kastanie und ließ eiskalte Wassertropfen auf die Beiden
regnen.
    „Absolut!“, bestätigte Chris. „Und sie sagte etwas von einer Karin.“
    „Karin?“
    „Ja, sie hat zwei Mal diesen Namen gesagt.“
    „Sonst noch was? Ist dir was aufgefallen? Konzentrier dich!“
    „Sie … sie hatte Todesangst, Susanne! Einfach Todesangst!“
    „He, ist schon gut!“ Susanne legte ihre Hand auf den Arm von Chris.
„Ich weiß, dass so was keinem in den Kleidern stecken bleibt“, sagte sie in
einem Anflug von Menschlichkeit. „Pass auf! Du fährst jetzt einfach nach Hause.
Und wenn dir noch was einfällt, melde dich. Ansonsten kannst du irgendwann die
Tage bei Hellwein deine Aussage unterschreiben.“
    Obwohl Chris nur noch wegwollte, raus aus diesem eisigen Wind, fort
von dieser Hauswand, verlangte er: „Du hältst mich auf dem Laufenden, ja?“
    Ihre Hand, die immer noch auf seinem Arm lag, packte fester zu. „Oh nein!“,
rief sie. „Den Teufel werd ich tun! Halt dich raus, Chris! Halt dich ein
einziges Mal raus, wenn in dieser Stadt was los ist! Ein einziges Mal nur!“
    Chris hielt ihrem langen, unnachgiebigen Blick stand. Dann fielen
Susannes Schultern nach vorn und ihre Hand löste sich von seinem Arm. „Du wirst
sowieso tun, was du für richtig hältst, stimmt´s?“
    Er rang sich ein breites Grinsen ab. „Richtig!“
    „Und du weißt genau, dass ich auf dein Urteil oft großen Wert lege!“
    „Korrekt!“
    „Du nutzt das schamlos aus und gehst mir mit voller Absicht auf die
Nerven!“
    Sein Grinsen wurde noch breiter. „Wieder richtig!“
    Laut atmete Susanne durch die Nase aus. „Also gut! Aber merk dir eins:
Keine Geheimniskrämerei, kein Alleingang! Ist das klar?“
    „Klar!“
    „Na gut! Ich will dich nicht noch mal aus der Scheiße ziehen müssen!“
     
    Wasser! Literweise Wasser über den Körper rieseln lassen. Chris stand
unter der heißen Dusche und mochte gar nicht mehr aufhören damit. Der Mensch
braucht Wasser, um den Kopf frei zu bekommen. Um zu vergessen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher