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Feenkind

Feenkind

Titel: Feenkind
Autoren: E Zeißler
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ein Baby neben sich liegen. Für einen Augenblick sahen sie sich an, beide leicht erstaunt über das plötzliche Treffen, weil sie im Leben des anderen bisher nicht existiert hatten. Dhalia streckte ihre Hand nach dem Baby aus, doch jemand anders war schneller gewesen. Hände griffen danach, hoben es hoch, brachten es weg, fort von seinem Bettchen, fort von ihr. Wieder wandte Dhalia ihren Kopf, um dem Baby hinterher zu blicken. Es war zu spät, sie konnte es nicht mehr sehen. Doch stattdessen lenkte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie sah etwas über ihrem Kopf funkeln, und als sie die Hand danach ausstreckte, durchzuckte sie die Erkenntnis wie ein Blitz und riss sie aus ihrem Traum zurück in die reale Welt.
Ich bin es nicht! war der eine Gedanke, der im Takt mit ihrem Herzen immer und immer wieder in ihrem Kopf hämmerte. Denn im Traum hatte sie über sich das kleine Spiegelblatt gesehen, dass seit jenem Tag, als sie jemand in das fremde Bett gelegt hatte, ihr ständiger Begleiter gewesen war.

In einem Augenblick fühlte sie ihre gesamte Welt über sich zusammenbrechen. Sie hatte keine Familie, keine Bestimmung, nicht einmal mehr einen Namen. All das gehörte einer anderen, jenem Baby, das vor achtzehn Jahren aus seinem Bettchen gestohlen und durch sie ersetzt wurde, ohne dass irgendjemand den Tausch bemerkt hatte!
Lange Zeit saß sie teilnahmslos da, zu betäubt, um etwas zu fühlen oder zu denken. Doch dann, so allmählich, dass sie es kaum bemerkt hatte, stieg wie Phönix aus der Asche ein Entschluss aus den Trümmern ihres Lebens auf.
Endlich lag ihr Weg deutlich vor ihr. Dort, wo vor wenigen Stunden noch Zweifel und Mutlosigkeit geherrscht hatten, war nun Klarheit eingekehrt.
Dhalia stieg aus ihrem Bett. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihr, dass die Morgendämmerung nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Das war gut, die Zeit würde gerade für ihre Vorbereitungen reichen.
Entschlossen griff sie nach ihrem Reisekleid. Es war aus robustem und warmem Stoff gearbeitet. Sie zog es an und suchte sich ein paar bequeme Stiefel heraus. Nach einem kurzen Zögern griff sie nach einem Beutel und packte noch ein paar Stiefel, Socken und ein etwas hübscheres Kleid ein. Sie konnte ja nicht wissen, ob sie es nicht mal gebrauchen könnte. Unschlüssig blickte sie sich in ihrer Kammer um. Was sollte sie wohl noch mitnehmen? Bisher war sie noch nicht sehr viel von Zuhause fort gewesen. Ihre längste Reise war der Besuch der Bibliothek von Annubia gewesen, wo sie in den letzten Jahren viel Zeit mit ihren Studien verbracht hatte. Doch diese Stadt war nur zwei Tagesreisen entfernt.
Sie griff nach ihrem Reisesack, der alles enthielt, was sie auf ihren kürzeren Ausflügen benötigte - den Schlafsack und eine Decke, etwas Kochgeschirr und Zunder, um Feuer zu machen. Für eine lange Reise schien ihr das so seltsam ungenügend. Also packte sie noch einige Kleidungsstücke in einen zweiten Beutel und legte diesen zu dem Reisesack dazu. Dann holte sie ihr Schwert, ihren Bogen und den Köcher aus der Kiste neben ihrem Bett hervor und legte dies alles zu dem kleinen Stapel, den sie aufgebaut hatte. Das sah schon besser aus. Der Anblick dieser vertrauten und notwendigen Gegenstände gab ihr ein Gefühl der Sicherheit, das Gefühl, für alle Widrigkeiten gerüstet zu sein. Sie setzte sich auf ihr Bett. Sie war bereit. Es gab nichts mehr, was sie noch tun musste. Außer, sich von ihren Eltern zu verabschieden.
Nun, da die erste Aufregung abzuklingen begann, fühlte sie Zweifel in sich aufkommen.
Ein erster Sonnenstrahl streifte sanft ihre Wange. "Du hast ja Recht", stimmte sie dem Lichtstrahl leise zu, "es wird Zeit, zu meinen Eltern zu gehen." Sie schulterte ihr Gepäck und machte sich auf den Weg zu den Ställen. Unterwegs schaute sie noch in der Küche vorbei und packte einen Laib frischen Brotes und kalten Braten vom Vortag ein.
Als sie die Ställe erreichte, sah ein verschlafener Stallbusche überrascht zu, wie sie Bruno sattelte und ihr Gepäck am Sattel des Tieres befestigte. Doch sie beachtete ihn nicht weiter. Und so sagte er sich, dass sie wahrscheinlich nur wieder einen Ausflug unternehmen wollte.
Als sie fertig war, ließ Dhalia das Pferd stehen und ging zum Haupthaus zurück. Sie wusste, warum ihre Schritte immer langsamer wurden. Wenn sie diesen Pfad, den sie auf einmal so klar vor sich sah, einmal betreten hatte, würde es kein Zurück mehr für sie geben. Noch konnte sie umkehren, ihr Geheimnis für
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