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Feenkind

Feenkind

Titel: Feenkind
Autoren: E Zeißler
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Ihr Vater schüttelte den Kopf über die abwegigen Ideen seiner Tochter.
Ihre Mutter wollte ihm schon zustimmen, als sie erschrocken die Luft anhielt. "Oh mein Gott, das kann nicht sein", stammelte sie leise.
"Ich habe also Recht", stellte Dhalia mit einem traurigen Lächeln fest. "Was weißt du darüber, Mutter?"
Elinor schwieg eine Weile, bevor sie stockend zu erzählen anfing. "Du warst noch ein ganz kleines Baby. Ja, es muss einige Tage nach der Prophezeiung gewesen sein. Eines Morgens haben wir dein Kindermädchen tief schlafend neben deinem Bettchen vorgefunden. Was wir auch versucht haben, sie war nicht wach zu bekommen und hat noch Stunden weiter geschlafen. Sie hat sich damals sehr heftige Vorwürfe gemacht, dass sie dich so unbeaufsichtigt gelassen hatte. Du weißt ja, wie schnell Säuglingen etwas zustoßen kann. Aber du hast dich immer so prächtig entwickelt, dass ihre Sorge ganz unbegründet gewesen war. Auf jeden Fall hast du seit dieser Nacht jede Nacht durchgeschlafen und hast kaum noch geweint, ganz im Gegensatz zu früher." Ihre Stimme stockte kurz. "Ich weiß noch, wie ich einige Male scherzhaft gemeint hatte, jemand hätte mir mein Kind ausgetauscht. Am auffälligsten war jedoch, dass deine Augen an diesem Morgen ihren ersten grünen Schimmer bekommen hatten. Natürlich nicht so intensiv wie jetzt, aber immerhin deutlich erkennbar. Doch das ist bei Babys völlig normal", schloss die Mutter trotzig. "Wie hätte ich denn ahnen können..." Sie brach ab und Tränen traten ihr in die Augen.
"Damit ist jeder Zweifel ausgeschlossen, ich bin weder eure Tochter noch bin ich die Auserwählte aus der Prophezeiung." Tapfer kämpfte Dhalia gegen die aufwallenden Tränen an. Wenn sie nicht Dhalia war, wer war sie dann?
"Aber wenn es stimmt, was ihr beide da sagt", schaltete sich ihr Vater nun in das Gespräch ein. "Wo ist dann unsere Tochter. Wo ist unsere Dhalia?"
Dieser Satz schnitt Dhalia ins Herz wie ein glühender Dolch. Ich bin doch hier, direkt vor euch, hätte sie am liebsten laut geschrieen. Aber das stimmte nun nicht mehr, sie hatte keine Eltern, kein Zuhause, sie hatte gar nichts. Dies alles gehörte der unbekannten Anderen. Sie selbst hatte nur das Glück gehabt, es sich einige Jahre auszuleihen, und nun musste sie der Anderen ihr Leben zurückgeben, damit sie die Prophezeiung erfüllen konnte.
"Ich weiß nicht, wo sie ist. Aber ich verspreche euch, ich werde sie finden und zu euch zurückbringen." Sie merkte gar nicht, dass die Tränen, die sie so lange zurückgehalten hatte, nun ungehemmt über ihre Wangen liefen. "Ich werde euch nicht noch einmal enttäuschen und unser Volk nicht im Stich lassen. Lebt wohl."
Bevor die verdutzten Eltern etwas sagen konnten, drehte sie sich um und verließ fluchtartig den Raum.
"Dhalia, warte, wo willst du denn hin?" rief ihr Vater, der sich als erster wieder gefasst hatte, ihr nach. Doch sie hörte ihn nicht mehr. Sie nahm nichts um sich herum wahr, als sie mit schlafwandlerischer Sicherheit durch die Korridore des Schlosses lief, allein von ihrem Entschluss getrieben, die wahre Dhalia zu finden. Nur darauf waren ihre Gedanken, soweit sie zu denken im Stande war, gerichtet. Nur nach vorne, bloß nicht zurück, damit der Schmerz über das, was sie verloren hatte, nicht übermächtig wurde.

Sie kam erst wieder zu sich, als sie auf dem Rücken ihres Pferdes über die Zugbrücke der Burg galoppierte, ohne ihren Vater zu bemerken, der ihr zurief, sie sollte endlich mal stehen bleiben.
Bis er sein Pferd gesattelt hatte, war sie schon längst aus seinem Blickfeld verschwunden.
Als er schließlich schweren Herzens zu seiner Gemahlin zurückkehrte, die gerade aus dem Eingangstor herauskam, teilten sie beide einen verzweifelten Blick. Sie beide spürten die doppelte Last des Verlustes, denn an einem Morgen hatten sie gleich zwei Töchter verloren - die eine kaum gekannt und die andere aufgezogen - und keine von beiden weniger geliebt.

Das ahnte Dhalia jedoch nicht, als sie über die in der Frühe noch verlassene Landstraße jagte und sich so allein und verloren fühlte, wie noch niemals zuvor. Aber das spielte keine Rolle. Vielleicht wusste sie ja nicht, wer sie war, doch dafür wusste sie umso besser, was sie nun zu tun hatte. Sie würde diese andere junge Frau finden, die sie mittlerweile als eine Schwester betrachtete, und ihre Schuld ihr gegenüber begleichen, indem sie sie zu ihren Eltern zurückbrachte und sie nach Kräften dabei unterstütze, ihre Bestimmung zu
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