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Faust: Der Tragödie zweiter Teil

Faust: Der Tragödie zweiter Teil

Titel: Faust: Der Tragödie zweiter Teil
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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mögen nicht 'nein.
      MANGEL:
  Da werd' ich zum Schatten. +
      SCHULD:
  Da werd' ich zunicht.
      NOT:
  Man wendet von mir das verwöhnte Gesicht.
      SORGE:
  Ihr Schwestern, ihr könnt nicht und dürft nicht hinein.
  Die Sorge, sie schleicht sich durchs Schlüsselloch ein.
      MANGEL:
  Ihr, graue Geschwister, entfernt euch von hier.
      SCHULD:
  Ganz nah an der Seite verbind' ich mich dir.
      NOT:
  Ganz nah an der Ferse begleitet die Not.
      ZU DREI:
  Es ziehen die Wolken, es schwinden die Sterne!
  Dahinten, dahinten! von ferne, von ferne,
  Da kommt er, der Bruder, da kommt er, der———Tod.
      FAUST:
  Vier sah ich kommen, drei nur gehn;
  Den Sinn der Rede konnt' ich nicht verstehn.
  Es klang so nach, als hieß' es—Not,
  Ein düstres Reimwort folgte—Tod.
  Es tönte hohl, gespensterhaft gedämpft.
  Noch hab' ich mich ins Freie nicht gekämpft.
  Könnt' ich Magie von meinem Pfad entfernen,
  Die Zaubersprüche ganz und gar verlernen,
  Stünd' ich, Natur, vor dir ein Mann allein,
  Da wär's der Mühe wert, ein Mensch zu sein.
  Das war ich sonst, eh' ich's im Düstern suchte,
  Mit Frevelwort mich und die Welt verfluchte.
  Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll,
  Daß niemand weiß, wie er ihn meiden soll.
  Wenn auch ein Tag uns klar vernünftig lacht,
  In Traumgespinst verwickelt uns die Nacht;
  Wir kehren froh von junger Flur zurück,
  Ein Vogel krächzt; was krächzt er? Mißgeschick.
  Von Aberglauben früh und spat umgarnt:
  Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt.
  Und so verschüchtert, stehen wir allein.
  Die Pforte knarrt, und niemand kommt herein.
  Ist jemand hier? +
      SORGE:
  Die Frage fordert Ja!
      FAUST:
  Und du, wer bist denn du? +
      SORGE:
  Bin einmal da.
      FAUST:
  Entferne dich! +
      SORGE:
  Ich bin am rechten Ort.
      FAUST:
  Nimm dich in acht und sprich kein Zauberwort.
      SORGE:
  Würde mich kein Ohr vernehmen,
  Müßt' es doch im Herzen dröhnen;
  In verwandelter Gestalt
  üb' ich grimmige Gewalt.
  Auf den Pfaden, auf der Welle,
  Ewig ängstlicher Geselle,
  Stets gefunden, nie gesucht,
  So geschmeichelt wie verflucht.—
  Hast du die Sorge nie gekannt?
      FAUST:
  Ich bin nur durch die Welt gerannt;
  Ein jed' Gelüst ergriff ich bei den Haaren,
  Was nicht genügte, ließ ich fahren,
  Was mir entwischte, ließ ich ziehn.
  Ich habe nur begehrt und nur vollbracht
  Und abermals gewünscht und so mit Macht
  Mein Leben durchgestürmt; erst groß und mächtig,
  Nun aber geht es weise, geht bedächtig.
  Der Erdenkreis ist mir genug bekannt,
  Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt;
  Tor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet,
  Sich über Wolken seinesgleichen dichtet!
  Er stehe fest und sehe hier sich um;
  Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm.
  Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen!
  Was er erkennt, läßt sich ergreifen.
  Er wandle so den Erdentag entlang;
  Wenn Geister spuken, geh' er seinen Gang,
  Im Weiterschreiten find' er Qual und Glück,
  Er, unbefriedigt jeden Augenblick!
      SORGE:
  Wen ich einmal besitze,
  Dem ist alle Welt nichts nütze;
  Ewiges Düstre steigt herunter,
  Sonne geht nicht auf noch unter,
  Bei vollkommnen äußern Sinnen
  Wohnen Finsternisse drinnen,
  Und er weiß von allen Schätzen
  Sich nicht in Besitz zu setzen.
  Glück und Unglück wird zur Grille,
  Er verhungert in der Fülle;
  Sei es Wonne, sei es Plage,
  Schieb er's zu dem andern Tage,
  Ist der Zukunft nur gewärtig,
  Und so wird er niemals fertig.
      FAUST:
  Hör auf! so kommst du mir nicht bei!
  Ich mag nicht solchen Unsinn hören.
  Fahr hin! die schlechte Litanei,
  Sie könnte selbst den klügsten Mann betören.
      SORGE:
  Soll er gehen, soll er kommen?
  Der Entschluß ist ihm genommen;
  Auf gebahnten Weges Mitte
  Wankt er tastend halbe Schritte.
  Er verliert sich immer tiefer,
  Siehet alle Dinge schiefer,
  Sich und andre lästig drückend;
  Atemholend und erstickend;
  Nicht erstickt und ohne Leben,
  Nicht verzweiflend, nicht ergeben.
  So ein unaufhaltsam Rollen,
  Schmerzlich Lassen, widrig Sollen,
  Bald Befreien, bald Erdrücken,
  Halber Schlaf und schlecht Erquicken
  Heftet ihn an seine Stelle
  Und bereitet ihn zur Hölle.
      FAUST:
  Unselige
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