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Faszinierend wie der Kuss des Herzogs

Faszinierend wie der Kuss des Herzogs

Titel: Faszinierend wie der Kuss des Herzogs
Autoren: AMANDA MCCABE
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Haar war im Nacken zusammengebunden. Manchmal deutete sein Kammerdiener diskret an, es müsse geschnitten werden, wie es der Mode entsprach. Zu seinem Gehrock aus feiner schwarzer Wolle trug er ein weißes Krawattentuch, in dem eine Nadel mit einem Gemmenkopf der Medusa steckte. Seine stark ausgeprägten hohen Wangenknochen und das markante Kinn wiesen auf das Wikingererbe der Radcliffes hin.
    Ja, er sah wie ein echter Radcliffe aus, der Erbe eines uralten Herzogtums. Aber seine schmale Nase wurde von einem schlecht verheilten Bruch entstellt, das Resultat einer Auseinandersetzung vor vielen Jahren, mit dem Mann, der jetzt Clios Schwager war.
    Und die weiße Narbe an der Stirn war ein Geschenk der Muse selber, hervorgerufen von Artemis’ steinernem Ellbogen. Gedankenverloren berührte er das Wundmal – und spürte wieder das Feuer ihres Kusses.
    Schon so lange begehrte er Clio Chase – ganz egal, was sie tat oder was er tat. Doch sie durfte seine Arbeit in Santa Lucia nicht behindern.
    Er zog den Gehrock aus und warf ihn aufs Fußende des Betts. Dann krempelte er die Hemdsärmel hoch, wobei die Rubin- und Smaragdringe an seinen Fingern funkelten. Seine Unterarme, muskulös und von der Sonne gebräunt, bezeugten seine jahrelange Arbeit in Ausgrabungsstätten unter der südlichen Sonne. Diese Spuren einer Tätigkeit, die nicht zu einem Herzog passte, pflegte er unter gerüschten Manschetten zu verbergen. Was der berühmte, einsiedlerische „Duke der Habgier“ plante, durfte niemand erfahren. Auf dem Toilettentisch stand eine Kassette, die er jetzt aufsperrte. Sie enthielt Briefe und Papiere, Beutel mit Münzen. Unter dem falschen Boden befand sich ein Geheimfach, das Edward jetzt öffnete, um zwei Gegenstände herauszunehmen. Eine winzige Silberschale, leicht verbeult, der Verzierung zufolge griechischer Herkunft, die wahrscheinlich aus dem zweiten Jahrhundert vor Christi stammte. Zwischen einem Muster aus Ahornblättern und Bucheckern rankte sich ein griechischer Satz: „Dies gehört den Göttern“. Eine Warnung und ein Versprechen. Der zweite Gegenstand war ein grüngoldener Seidenstreifen, mit funkelnden grünen Glasperlen besetzt.
    Sorgsam legte er die Seide neben die Schale. Diese beiden Dinge symbolisierten, was ihn nach Sizilien geführt hatte – wieder einmal an Clios Seite, obwohl er diese Sehnsucht so entschlossen bekämpfte.
    Aber wenn es um ihn und Clio Chase ging, schien das Schicksal immer wieder andere Entscheidungen zu treffen.

3. KAPITEL

    „Ah, noch eine Einladung von Lady Riverton!“, verkündete Clios Vater am Frühstückstisch und schwenkte die geprägte Karte durch die Luft, bevor er sie zur restlichen Post legte.
    „Schon wieder?“ Während Clio ihren Toast mit Butter bestrich, hörte sie kaum zu, in Gedanken bereits bei ihrem Bauernhaus und ihren Plänen für diesen Tag. Wie so oft am Morgen sah es als, als würde es regnen. Der Himmel war grau, und sie musste ihre Ausgrabungen vom Vortag abdecken, bevor sie sich mit Wasser füllen würden. „Erst letzte Woche waren wir in ihrem Palazzo, nicht wahr?“
    „Diesmal ist es anders“, entgegnete Sir Walter. „Auf der Karte werden Amateurtheaterszenen erwähnt. Und Lady Riverton bietet ihren Gästen stets ein ausgezeichnetes Buffet an. Diese köstlichen Hummertörtchen auf der letzten Party …“
    Lachend schüttelte Clio den Kopf. „Denkst du nur noch an deinen Magen, Vater? Aber wenn du willst, gehen wir hin.“
    „Vielleicht darf ich bei den Theaterszenen mitwirken.“ Thalia schenkte sich noch etwas heiße Schokolade ein. „Wie gern würde ich meinen ‚Antigone‘-Text vor einem Publikum erproben! Ich bin mir nicht sicher, ob ich die einzelnen Wörter richtig betone. Im Amphitheater klingt das alles sehr gut. Allerdings fürchte ich, in einem geschlossenen Raum wäre es zu dramatisch.“
    „Hast du jemanden für die Rolle des Hämon gefunden?“, fragte Clio.
    „Nein, die Sizilianer sprechen zu schlecht Englisch, und den Engländern fehlt die nötige Leidenschaft. Keine Ahnung, was ich tun soll … Wäre eine Vorstellung auf Griechisch besser? Das scheint hier jeder zu beherrschen.“
    „Sicher kann Lady Riverton dir helfen, Liebes“, meinte Sir Walter. „In dieser Gegend scheint sie jeden zu kennen.“
    „Und sie macht sich furchtbar wichtig“, ergänzte Thalia. „Überall mischt sie sich ein. Niemals würde ich ihr erlauben, meinen Bühnenauftritt zu inszenieren. Aber ich werde sie besuchen und fragen, ob ich auf
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