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Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling

Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling

Titel: Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling
Autoren: Alex Capus
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Kölner Dialekt. Kleidung: dunkelgrau, fast schwarz, Überzieher ohne Gürtel, braunfarbiger Anzug, farbiges Sporthemd mit Kragen, dunkelgrüner Schlitzfilzhut mit schwarzem Band, Vorderrand abwärtsgebogen, rotbraune Halbschuhe.
    Sandweg Kurt, geb. 3. August 1910 , anscheinendes Alter 25 bis 27 Jahre, ledig, Ingenieur, deutscher Staatsangehöriger. Signalement: Größe 185 cm, Gestalt sehr schlank, mager, Haare braun, mittellang, links gescheitelt, Stirne normal, Augen dunkel, Nase gewöhnlich, Schnurrbart rasiert, Lippen etwas aufgeworfen, Zähne weiß, gut erhalten, Kinn gewöhnlich. Gesicht länglich, blass, mager, Wangen etwas eingefallen, starke Mundfalten. Blick freundlich, Sprache schriftdeutsch mit Kölner Dialekt. Kleidung: Mantel, zweireihig, dunkelgrau, Rückengürtel, dunkelgrauer Anzug mit weißen Linien, Kleidung gut erhalten, farbiges Stoffhemd mit Kragen, Selbstbinder, rotbraune Halbschuhe, kein Hut.

2
    Ihren Anfang aber nimmt die Geschichte drei Wochen vor jener Begegnung im Globus, und zwar in Stuttgart. Am achtzehnten November 1933 liegt Nebel über der Stadt, die Ulmen sind nass und schwarz. Über den Schillerplatz laufen graugesichtige Beamte mit speckigen Mappen. Vor dem Arbeitsamt frieren die Arbeitslosen, ihre Frauen schielen auf dem Großstadtmarkt nach welkem Wintergemüse. Am westlichen Stadtrand steht in einem Weinberg ein sportlicher kleiner Wagen, ein 750er Dixi, Baujahr 1930 , dessen Besitzer ihn am Vorabend bei der Polizei als gestohlen gemeldet hat. Die Motorhaube und das schwarze Lederverdeck sind feucht vom Tau. Im Wageninneren schlafen zwei Burschen. Ihre Gesichter sind zwischen Mantelkrägen und Mützenrändern kaum zu sehen. Der Bursche auf dem Fahrersitz ist lang und schmal. Seine dünnen Glieder haben sich im Wagen ausgebreitet wie Tentakel. Der zweite Bursche ist klein und geschmeidig. Er hat im Schlaf die Beine untergeschlagen und ist gegen die Brust des Fahrers gekippt. Und weil die Nacht so lang und kalt war, hat er sich schlafend immer dichter an ihn geschmiegt wie ein junges Mädchen.
    Die Krähen werden aufmerksam auf die Speisereste, die zu beiden Seiten des Dixi liegen – Brotkrumen, sechs Streifen Schinkenschwarte und ziemlich viel Käserinde, wie die Polizei am Nachmittag feststellen wird. Im Wageninneren erwacht der kleine Bursche. Er rückt von seinem Freund ab, wischt mit dem Ärmel über das beschlagene Seitenfenster und schaut hinaus in den Morgen, der voller herbeiflatternder Krähen ist. Seine Augen sind grün wie die einer Katze. Um die Krähen zu verscheuchen, öffnet er die Tür und zieht sie wieder zu. Die Vögel fliegen in einer weiten Schleife in einen anderen Weinberg, und der andere Bursche erwacht.
    »Guten Morgen, Waldemar.«
    »Guten Morgen, Kurt.«
    Kurt Sandweg und Waldemar Velte schütteln einander ganz ernst die Hand, wie sie das jeden Morgen tun. Sie haben vor Jahren zum Spaß damit angefangen, als sie noch Kinder waren und Erwachsene spielten, und dann ist es ihnen einfach geblieben.
    Währenddessen bereitet im östlichen Stadtteil Gablenberg Bankfilialleiter Julius Feuerstein den Arbeitstag vor. Als erstes zieht er die Ärmelschoner über und zählt den Kasseninhalt nach. Dann füllt er Tinte ins Tintenfass, prüft die Spitzen seiner Schreibfedern und legt Fließblatt und Streusand bereit. Er schiebt Siegelwachs, Stempelkissen und Radiergummis ordentlich an ihren Platz, spitzt die Bleistifte und stellt am Stempel das Datum ein. Dann tritt er einen Schritt zurück, betrachtet sein Werk, rückt Kragen, Schlips und Jacke zurecht und zwirbelt den Schnurrbart. Der bullernde Kohleofen in der Ecke füllt den Schalterraum mit muffiger Wärme. Feuerstein setzt sich kerzengerade auf die Stuhlkante, nimmt einen Aktenordner zur Hand und schlägt ihn auf.
    Über seinem Schreibtisch hängt goldgerahmt ein Portrait des Führers, der mit verschränkten Armen und gerecktem Kinn hinunterstarrt auf ein mausgesichtiges Männchen mit rundem Rücken, das in einer halbdunklen Ecke des Schalterraums seinen Arbeitsplatz hat. Das ist der Kontorist Gottfried Lindner, Feuersteins einziger Untergebener, in Ehren ergraut in zweiunddreißig Jahren Dienst bei der Stuttgarter Bank. Lindner hat sich schon gewöhnt an den jungen Feuerstein, diesen schnittigen Volksgenossen, der seit einem halben Jahr die Filiale leitet. Für Lindners Geschmack geht es jetzt manchmal etwas gar schnittig zu, und zuweilen denkt er mit Wehmut an seinen langjährigen Chef, der von einem Tag auf
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