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Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03

Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03

Titel: Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03
Autoren: Das dunkle Muster
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Vaters…
    Ihm fiel eines der Lieblingslieder seines Vaters ein, das er auch sehr gern gemocht hatte. Er selbst hatte es des öfteren während der Nachtstunden gesungen, wenn er auf dem Schoner zum Wachdienst eingeteilt war. Und wenn Frigate es sang, sah er in seinem Bewußtsein ein kleines Leuchten, ein Leuchten wie von einem Stern, der vor ihm dahinzuschweben schien und ihn auf ein namenloses, aber dennoch erstrebenswertes Ziel zuführte.
    Glühwürmchen, Glühwürmchen
    flimm’re, flimm’re,
    Glühwürmchen, Glühwürmchen
    schimm’re, schimm’re,
    führe uns auf rechten Wegen,
    führe uns dem Glück entgegen!
    Glühwürmchen, Glühwürmchen
    flimm’re, flimm’re,
    Glühwürmchen, Glühwürmchen
    schimm’re, schimm’re,
    gib uns schützend dein Geleit
    zur Liebesseligkeit!
    Plötzlich weinte er. Die Tränen flossen für all die guten Dinge, die gewesen waren oder hätten sein können, und für die schlechten, die gewesen waren, aber nicht hätten sein müssen.
    Frigate trocknete seine Tränen, überprüfte ein letztes Mal die Instrumente und weckte dann den kleinen Mauren. Anschließend kroch er unter die Decken, aber er fand keinen Schlaf, da die Schmerzen in Hals, Schultern und Brust zu übermächtig waren. Nach mehreren Versuchen in die Zonen des Vergessens einzudringen, gab er es auf und begann ein Gespräch mit Nur. Damit setzten sie eine Unterhaltung fort, die sich seit vielen Jahren durch jeden Tag und jede Nacht erstreckt hatte.

68
    »In verschiedenen Dingen«, sagte Nur, »stimmen die Kirche der Zweiten Chance und die Sufis miteinander überein. Die Chancisten benutzen allerdings eine etwas andere Ausdrucksweise, was dazu führen kann, daß man es nicht gleich erkennt.
    Das Endziel der Chancisten und der Sufis ist jedoch das gleiche. Wenn man einmal davon absieht, wie die Chancisten es definieren, sind beide der Ansicht, daß das Individuum von einem universalen Ich absorbiert werden muß. Das heißt von Allah, Gott, dem Schöpfer, dem Wahren. Du kannst es nennen, wie du willst.«
    »Und das bedeutet, daß das Individuum ausgerottet wird?«
    »Nein. Absorbiert. Ausrotten bedeutet vernichten. Bei der Absorption wird die individuelle Seele, das Ka oder Brahman, ein Teil des universellen Ichs.«
    »Und das bedeutet, daß das Individuum sein Eigenbewußtsein, seine Einzigartigkeit, verliert? Daß das Individuum sich nicht mehr als Einzelwesen bewußt ist?«
    »Ja, aber dafür ist es dann zu einem Teil des Großen Ichs geworden. Was bedeutet schon der Verlust der Individualität, wenn man dafür zu einem Wesen wird, das man nur noch mit Gott vergleichen kann?«
    »Der Gedanke daran erfüllt mich mit Grauen. Man könnte ebenso gut tot sein. Wenn man das Eigenbewußtsein verloren hat, ist man tot. Nein, ich kann einfach nicht verstehen, wieso die Chancisten, Buddhisten, Hindus und Sufis einen solchen Zustand als erstrebenswert ansehen. Ohne das eigene Bewußtsein ist man als Individuum tatsächlich tot.«
    »Hättest du je die Ekstase erfahren, die die Sufis erreichen, wenn sie weit fortgeschritten sind, dieses Hinübergehen, würdest du verstehen, worauf ich hinauswill. Aber kann man einen Menschen, der von Geburt an blind ist, das Glücksgefühl derjenigen vermitteln, die sich an den Farben eines Sonnenuntergangs berauschen?«
    »Aber das ist es ja«, wandte Frigate ein. »Ich hatte selbst mystische Erlebnisse. Sogar drei. Beim erstenmal war ich sechsundzwanzig Jahre alt. Ich arbeitete damals in einem Stahlwerk an den Abkühlungsgruben, dort, wo die Kräne große Barren aus den Gußformen holen, die man vorher an den Hochöfen mit flüssigem Stahl gefüllt hat. Nachdem sie sich abgekühlt haben, nehmen die Kräne sie und legen sie in gasverbrennende Öfen, wo sie allmählich wieder erhitzt werden. Von dort aus kommen die Barren dann ins Walzwerk.
    Als ich dort arbeitete, stellte ich mir vor, jeder dieser Barren repräsentiere eine Seele. Verlorene Seelen, den Flammen des Fegefeuers ausgesetzt. Man legte sie zuerst eine Weile ins Fegefeuer und brachte sie dann an einen anderen Ort, wo sie für den Himmel in eine bestimmte Form gepreßt wurden. So wie die großen Walzen die Barren verarbeiteten, sie formten und ihrer Unreinheit entledigten, indem man sie an den Enden abschnitt, so, glaubte ich, würden auch die Seelen in eine Schablone gepreßt und gereinigt werden. Allerdings hat das wenig mit dem Thema unserer Unterhaltung zu tun – oder vielleicht doch?
    Jedenfalls stand ich eines Tages an der
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